Am seidenen Faden der Lust
Die vor zwei Jahren in Rohr (Kirchenkreis Henneberger Land) entfachte Theater-leidenschaft lodert weiter. In der dritten Spielzeit wird mit dem Schauspiel »Fatale Lust – Die Reformation am seidenen Faden« ein pikantes Stück Reformationsgeschichte in Szene gesetzt.
Von Jürgen Glocke
Schon als Kind habe ihn die Figur Martin Luthers fasziniert, bekennt der Autor und Regisseur Axel Weiß, der 2015 das Historienspiel »Theophanu – Die Kaiserin in Rohr« und 2016 das Lustspiel »Hoch auf dem gelben Wagen« in Rohr auf die Bühne gebracht hat. Jetzt, wo das Jubiläum »500 Jahre Reformation« begangen wird, stehe er hier und könne nicht anders, nutzt Weiß ein Luther-Wort zur Begründung für die Wahl des Stoffes.
Direkt, unverblümt und sprachgewaltig geht es zu in »Fatale Lust – Die Reformation am seidenen Faden«. Jedoch nicht Luther steht darin im Mittelpunkt, sondern Landgraf Philipp von Hessen (1504–1567). »Der gilt einerseits als einer der bedeutendsten Landesfürsten und politischen Führer zu seiner Zeit und als einer der Hauptmänner der Reformation, aber andererseits auch als einer, der durch sein sexsüchtiges Verhalten die Reformation in Gefahr brachte«, erklärt
Axel Weiß.
Es war damals nicht ungewöhnlich, dass sich jemand leisten konnte, Konkubinen zu halten. Dass ein tiefgläubiger Mensch wie Landgraf Philipp die Ehe mit zwei Frauen anstrebte, war hingegen schier unglaublich, überaus dreist und eigentlich unmöglich, wo doch auf Bigamie die Todesstrafe stand. Dennoch gelang es Philipp, den Segen für eine Doppelehe mit der 17-jährigen Margarethe von der Saale zu erhalten. Auch den von Luther. Ihn ersuchte Philipp 1539 über einen Mittelsmann um eine offizielle Zustimmung zur beabsichtigten Doppelehe. Eine theologische Argumentationshilfe lieferte er gleich mit, indem er darauf verwies, dass Gott auch so manchem Patriarchen aus dem Alten Testament mehr als eine Ehefrau zugestanden habe.
Es passte nicht zu Luthers hohen moralischen Ansprüchen, einerseits die Verkommenheit der katholischen Kirche anzuprangern und andererseits die Eheprinzipien des Neuen Testaments zu negieren. Doch Philipp drohte für den Fall, dass man ihm in der Ehesache nicht entgegenkam, mit einem Wechsel samt seiner Truppen ins Lager der Reformationsgegner.
Wie stets, wenn Politik mit im Spiel ist, ist alles nur eine Frage der Darstellung. Des Landgrafen Begehren wurde als Seelenheil-Rettung für ihn betrachtet und als Ausnahme gestattet. So kam es, dass 1540 die Hochzeit Philipps mit Margarethe von der Saale stattfand und sich nachher die Protagonisten der Reformation wieder der Umsetzung ihrer Ziele zuwenden konnten. Vor diesem Hintergrund hat Axel Weiß sein Stück entwickelt, wissenschaftlich beraten von Dr. Kai Lehmann. Der Direktor des Museums Schloss Wilhelmsburg in Schmalkalden ist ein profunder Kenner der Materie.
Seit viereinhalb Monaten laufen die Proben, wofür knapp 100 Darsteller (inklusive Mehrfachbesetzungen der meisten Rollen), fünf Chöre und mit dem Personal hinter der Bühne insgesamt rund 200 Mitwirkende aufgeboten werden. Die Herausforderung, vor der das Team steht, war noch nie so groß wie bei dieser dritten Sommertheater-Auflage. Das rührt vor allem daher, dass die Theatertruppe diesmal auf Tournee gehen will. Eingedenk dessen, dass Luther vielerorts predigte, wird das Schauspiel nicht nur beim Rohrer Sommertheater aufgeführt, sondern auch in Dermbach, Kloster Veßra, Philippsthal, Schmalkalden und Untermaßfeld.
Auch einige Pfarrer sind im Darsteller-Team und spielen historische Geistliche, wie der Rohrer Pfarrer Armin Pöhlmann und sein Schmalkalder Amtskollege Martin Schreiber. Ebenso sind in der Rolle des Schulzen hier und da aktuelle Kommunalpolitiker zu erleben – so in Dermbach der dortige Bürgermeister Thomas Hugk, in Philippsthal Bürgermeister Ralf Orth und in Untermaßfeld Amtsinhaber Rolf Pohland. Museumsdirektor Kai Lehmann schlüpft bei der Aufführung im Hof von Schloss Wilhemsburg in die Rolle des Nuntius.
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