Diskussion über geplante Gemeinschaftsunterkunft
Schlaglicht Schleusingen
Seit Wochen beschäftigen Diskussionen um eine geplante Gemeinschaftsunterkunft die Menschen in Schleusingen. Nun bot die Kirche eine Gesprächsmöglichkeit.
Ungewöhnlich wirkt der Anblick, der an diesem Montagabend in der Schleusinger St. Johannis-Kirche zu betrachten ist. Nicht nur, weil die Bänke von Mittel- und Seitenschiffen gut gefüllt sind, sondern auch weil bewaffnete Polizisten links und rechts des Altars stehen. Vor der Tür warten noch mehr von ihnen.
Es ist alles andere als ein Zufall, dass Staatsgewalt und Kirche hier und heute zusammenkommen, denn das Thema, das heute Abend vor dem güldenen Kruzifix diskutiert wird, ist brisant. Nichts weniger als die "Zukunft unserer Kinder" soll es sein. So haben es zumindest in den vergangenen Wochen immer wieder zahlreiche Demonstrierende postuliert. Woche für Woche waren sie auf die Straße gegangen, um dafür zu streiten. Unter anderem gemeinsam mit der vom Verfassungsschutz beobachteten Gruppierung "Freies Thüringen" und dem bundesweit bekannten NPD-Mann Tommy Frenck. Und dennoch kommt das, was die Menschen auf der Straße auf ihren Transparenten zeigten an diesem Abend nicht zur Sprache.
Stattdessen geht es "nur" um eine geplante Gemeinschaftsunterkunft für Menschen auf der Flucht.
Diese soll im alten Krankenhaus der 5000-Einwohner-Stadt eingerichtet werden. Die Kirche lädt daher zur Dialogveranstaltung. Sie bittet neben den Menschen aus Schleusingen und Umgebung auch den Leiter der zuständigen Landespolizeiinspektion, Landrat, Bürgermeister und sogar die Beauftragte für Integration, Migration und Flüchtlinge des Landes, Mirjam Kruppa, sowie die zuständige Integrationsministerin, Doreen Denstädt (Grüne), zum Gespräch.
Moderiert von Gemeindekirchenratsmitglied Reinhard Hotop sprechen sie alle über die Hintergründe und die Zukunft einer möglichen Gemeinschaftsunterkunft. Landrat Thomas Müller (CDU) berichtet von den finanziellen Herausforderungen, die zur geplanten Umnutzung des rund 7 5000 Quadratmeter umfassenden Gebäudes führen. Bürgermeister André Henneberg (FW) ruft zum gemeinschaftlichen Engagement für Menschen auf der Flucht auf und Volljuristin Kruppa erklärt die rechtlichen und sozialen Hintergründe, welche zur geplanten Gemeinschaftsunterkunft für bis zu 100 Menschen in Schleusingens Innenstadt führen.
Nachdem dann noch der zuständige Polizeichef und die Migrationsministerin ihre Gedanken zu dem Projekt geäußert haben, kommt auch die Kirche zu Wort. Beate Marwede, geschäftsführende Superintendentin des Kirchenkreises, versucht mit einer Predigt die Menschen zu gewinnen. "Zu unserem christlichen Glauben gehört Fluchterfahrung", beginnt sie und verliert sogleich insbesondere die lauten Kritiker der geplanten Unterkunft. Sie haben sich ind en Seitenschiffen platziert, kommentierten die bisherigen Äußerungen bislang mit lautstarkem Gemurmel. Pärchenweise verlassen sie nun den Kirchenraum, kommen erst nach dem pastoralen Referat zurück.
Gerade noch rechtzeitig, um an der Gesprächsrunde dieses Polylogs teilzunehmen. Denn nun, nach fast anderthalb Stunden Vorträgen der besagten Personen, kommen auch die Menschen aus Schleusingen zu Wort. Viele von ihnen sprechen sich für Aufnahme von Menschen auf der Flucht aus. Sie fordern aber von der anwesenden Politik Integrationskonzepote und eine Arbeit miteinander. Ein Mann, der sich als André vorstellt betont etwa: "Egal in welcher Partei du bist: Helf mit, dann wird es auch was." Kurz darauf, es ist gerade 19.33 Uhr, tritt ein weiterer Mann ans Mikrofon. Im lila-leuchtenden T-Shirt kritisiert er nicht nur die geplante Unterkunft, sondern spricht sich auch gegen Energiewende und Corona-Impfung aus, moniert, dass Viele aus seinem Umfeld nichts mit der Politik zu tun haben wollten und dass "unser deutsches Wirtschaftssystem eh den Bach heruntergehe".
Und doch bleibt ihm nicht unwidersprochen, als eine Dame in gelber Strickjacke sich aus der dritten Reihe auf den Weg in den Altarraum macht und von ihren persönlichen guten Erfahrungen mit den Bewohnerinnen und Bewohnern des Suhler Friedbergs berichtet.
Und auch ein weiterer Mann möchte seine Gedanken teilen. Hager ist er, hohe Geheimratsecken und eine Brille machen ihn ebenso markant wie die braune Lederjacke. Doch das was er zu sagen hat, kommt nicht bei allen Anwesenden gut an. "Was mich wütend macht: Wir reden hier von Menschen. Das wird immer wieder vergessen", erklärt er und greift damit indirekt all jene an, die bei Demonstrationen und in sozialen Netzwerken immer wieder von der vermeintlichen Gefahr berichten, die von Asylsuchenden ausgehe.
Trotzdem wird an diesem Abend eins klar: Vielen der Schleusinger geht es weniger um die geplante Gemeinschaftsunterkunft als um die bewusste Umnutzung des Krankenhauses. Dies scheint es zu sein, was Menschen umtreibt. So wie eine Krankenschwester, die als eine der Letzten das Wort ergreift, von den vielfältigen Behandlungsmöglichkeiten des einstigen Schleusinger Klinikums berichtet und weder von Flüchtlingen, noch der Zukunft der Kinder spricht.
Darum geht´s
Bis 2014 wurde das Krankenhaus in der Eislebener Straße als solches genutzt. Zwischenzeitlich hatte es verschiedene medizinische Funktionen und soll voraussichtlich ab Sommer zur Unterbringung von 80-100 Geflüchteten genutzt werden.
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