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Michaelsbegegnung
Gauck plädiert für "kämpferische Toleranz"

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Jena (red) - Alt-Bundespräsident Joachim Gauck war Ehrengast bei der traditionellen „Michaelsbegegnung“ der Kirchenstiftung in Jena. In seiner Festansprache sagte Gauck, er erlebe sein Land in einer immer größer werdenden Spannung. Früher habe er die Fähigkeit Toleranz zu zeigen für eine Frage der Erziehung, des guten Benehmens gehalten. Heute wisse er: "Auszuhalten, dass Meinungen auseinander gehen, kann eine Zumutung sein." Mit der Zeit habe er gelernt, dass es ein "schwerer Fehler" sei, "alle, die anderes denken als ich für verloren zu erklären", sagte der Theologe vor etwa 170 Freunden und Förderern der Kirchenstiftung. "Wirkliche Toleranz brauchen wir erst da, wo es schwierig wird." Einen entscheidenden Geburtsfehler habe die Toleranz aber, räumte Gauck ein: "Du kannst sie nicht immer an den Tag legen. So zum Beispiel da nicht, wo Grundwerte mit Füßen getreten werden."

Keine Angst vor der Diskussion

Am Abend in Jena plädierte Gauck daher für eine "kämpferische Toleranz":  "Wir sind aufgefordert, das, was uns am Herzen liegt, zu verteidigen", sagte er. Wie auch in seinem jüngst erschienen Buch „Toleranz: einfach schwer“ warb er dafür, Diskussionen nicht zu früh zu beenden - allein aus Furcht davor, die eigenen Argumente könnten das Gegenüber nicht erreichen. "Wir sollten für das, was wir lieben, und was allen Menschen nützt, streiten", so der Alt-Bundespräsident. Dabei jedoch solle man nicht aus dem Blick verlieren, das Gegenüber als Menschen anzunehmen. "Tolerieren und verteidigen, das gehört zusammen", so Gauck.

Eigenes Erleben kann Beispiel sein

Wenn es darum geht Toleranz zu vermitteln, rät Gauck Eltern und Großeltern zu Nahbarkeit: "Fangen Sie nicht mit den großen Thesen an, wenn Sie mit Ihren Kindern oder Enkeln diskutieren", so der 80-Jährige. "Berichten Sie von ganz praktischen Begebenheiten aus Ihrem eigenen Leben, die Ihnen gezeigt haben, was Toleranz bedeutet."
 

Ehrenamt: Netzwerk des Guten vielen nicht bewusst

"Dieses Land ist durchzogen von einem Netzwerk des Guten und der Guten."
- Joachim Gauck in Jena.


Hintergrund

Um die Corona-Auflagen einhalten zu können, wurde die Michaelsbegegnung in diesem Jahr erstmalig in der Stadtkirche ausgerichtet. Dieser neue Rahmen für die Veranstaltung müsse sich für den Kirchbauverein wie ein "Nachhausekommen" anfühlen, bemerkte Jenas Oberbürgermeister Thomas Nitzsche in seinem Grußwort und regte an, den Abend zum Auftakt einer neuen Tradition werden zu lassen.
Die Kirchenstiftung St. Michael, gegründet 2007, verfolgt eigenen Angaben zufolge soziale und restauratorische Ziele. Spenden und Zustiftungen für dieses Jahr beziffert der Vorsitzende des Jenaer Kirchbauvereins, Franz von Falkenhausen, auf 11.000 Euro. Bei einem Stiftungskapital von 340.000 Euro habe man in diesem Jahr mit insgesamt 10.000 Euro unter anderem die Anschaffung einer Senioren-Rikscha, die Produktion der Video-Gottesdienste während des Lockdowns im Frühjahr oder die Sanierung des Glockenstuhls an der Kirche in Rothenstein unterstützt.

Autor:

Beatrix Heinrichs

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