Erklärvideo
Was feiern wir am Reformationstag?
Am Reformationstag erinnern Protestanten in aller Welt an die Anfänge der evangelischen Kirche vor rund 500 Jahren.
Die vom damaligen Augustinermönch Martin Luther (1483-1546) um den 31. Oktober 1517 von Wittenberg aus verbreiteten 95 Thesen gegen kirchliche Missstände wurden zum Ausgang einer christlichen Erneuerungsbewegung. Während der Gedenktag früher zur Abgrenzung der Protestanten gegenüber katholischen Christen genutzt wurde, wird er inzwischen im Geist der Ökumene gefeiert.
Der Reformationstag wird als Gelegenheit zur evangelischen Selbstbesinnung verstanden. Luther wollte die Kirche zum geistigen Ursprung der Botschaft des Evangeliums zurückführen. Die von ihm geforderten Reformen führten nicht nur zur Gründung der evangelischen Kirchen, auch die römisch-katholische Kirche hat sich seitdem grundlegend reformiert.
Erst 150 Jahre nach der Reformation wurde der 31. Oktober zum Gedenktag. Kurfürst Johann Georg II. von Sachsen setzte den Tag im Jahr 1667 fest. Nach den Reformationsjubiläen 1717 und 1817 etablierte sich das Reformationsfest weiter.
Der Reformationstag ist in den östlichen Bundesländern - außer Berlin - gesetzlicher Feiertag. 2018 haben außerdem die norddeutschen Bundesländer Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein den Reformationstag zum Feiertag erklärt. Damit ist am 31. Oktober in 9 von 16 Bundesländern arbeitsfrei.
Stimmen zu Reformationstag
Der katholische Ökumene-Bischof Gerhard Feige hat am Reformationstag zu einer stärkeren Zusammenarbeit der katholischen und evangelischen Kirchen aufgerufen. „Unsere Kirchen stehen mitten in großen Herausforderungen und sind vielfach mit sich selbst beschäftigt“, sagte Feige am Donnerstag in seiner Predigt in der Hamburger St.-Petri-Kirche. Vertrauensverlust und Glaubensschwund hätten dramatisch zugenommen. Es sei unbestreitbar, dass die Kirchen in der Gesellschaft besser wahrgenommen würden, wenn sie mit einer Stimme sprächen, sagte der Magdeburger Bischof.
Dennoch dürfe nicht vergessen werden, die Kirchen verbinde längst schon mehr, als sie trenne, „ob im gottesdienstlichen und seelsorglichen Bereich, der Vermittlung christlicher Werte oder im Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“, sagte Feige in dem ökumenischen Gottesdienst.
Der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, äußerte sich zuversichtlich, dass die Erinnerung an den Thesenanschlag Martin Luthers im Jahr 1517 auch in Zukunft nicht verschwinde. Die evangelische Kirche mache es richtig, wenn sie an der Bedeutung dieses Tages festhalte, sagte er. Viele Gemeinden bezögen die Erinnerung an die Reformation auch an den Sonntagen rund um den Feiertag mit ein. „Deshalb bin ich zuversichtlich, dass die Erinnerung an die Reformation und ihre Gegenwartsbedeutung nicht verlorengeht“, sagte der frühere Berliner Bischof.Der Leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Ralf Meister, erinnerte laut Redemanuskript an die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“, die vor 25 Jahren von Protestanten und Katholiken in Augsburg unterzeichnet wurde. Diese Erklärung sei ein Durchbruch in der Ökumene gewesen, weil durch sie Jahrhunderte alte gegenseitige Lehrverurteilungen aufgehoben worden seien. Auch Feige bezeichnete sie in seiner Predigt als „bahnbrechendes ökumenisches Ereignis“.
Die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre gilt bis heute als das einzige ökumenische Konsensdokument in der westlichen Kirche, das offiziell anerkannt und bestätigt wurde. Praktische Auswirkungen im kirchlichen Leben gibt es bislang allerdings nicht.
Der Wiener Theologe Ulrich Körtner wirbt angesichts einer zunehmend von Gnadenlosigkeit geprägten Lebenswelt für eine Kultur des Erbarmens und des Verzeihens. Im modernen Weltgericht «ist jeder Ankläger, Richter und Angeklagter zugleich», heißt es einem Gastbeitrag des Hochschullehrers an der Universität Wien für die österreichische Tageszeitung «Die Presse»: «Die Gerichtsshows und öffentlichen Lebensbeichten im Privat-TV sind die Farce auf das moderne gnadenlose Weltgericht.»
Mit dem religiösen Begriff der Sünde sei der modernen Welt auch die Dimension der Gnade abhandengekommen: «Der Mensch als Letztverantwortlicher und Angeklagter kann auf keine Instanz hoffen, die ihn freispricht.» So gesehen habe sich die Frage nach dem gnädigen Gott, die Martin Luther und seine Zeit bewegte, keineswegs erledigt, fügte Körtner hinzu: «Die reformatorische Rechtfertigungsbotschaft richtet sich an den Menschen, der, modern gesprochen, um seine Anerkennung kämpft.»
«Nun ist der Mensch selbst Richter und Angeklagter zugleich», so der Theologe. «Weil Gott fehlt, tritt an die Stelle der Rechtfertigung des Menschen eine Unkultur des Rechthabens», greift er einen Gedanken des Schriftstellers Martin Walser (1927-2023) auf.
(epd)
Autor:Online-Redaktion |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.