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Vom Streiten zum Küssen – Psalm 85 bietet eine Anleitung

Von Doris Weilandt

Seit Wochen erschüttert der erbitterte Streit um die Flüchtlingspolitik das Vertrauen der Deutschen in ihre Regierung. Der gerade ausgehandelte Kompromiss erscheint brüchig. Der Konflikt ist nicht gelöst, sondern nur verschoben und kann jederzeit wieder aufbrechen. Dabei brauchten sich die beiden Schwesterparteien CDU und CSU nur auf ihre christlichen Werte besinnen, um den inneren Frieden wiederzugewinnen. Im Alten Testament gibt es dazu eine Handlungsanweisung. Vom Küssen und Streiten, von Frieden und Gerechtigkeit erzählt Psalm 85.
Der langjährige Rektor der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU), Klaus Dicke, interpretiert den Text als liturgisches Drama in fünf Akten. Zu Beginn wird mit »Herr, der du bist vormals gnädig gewesen deinem Lande und hast erlöst die Gefangenen Jakobs …«an die Glaubensgemeinschaft erinnert, an die ewige Gnade, die trotz der Unzuverlässigkeit der Menschen von Gott geschenkt ist.

Als »Beten nach der Schadenbilanz« bezeichnet Dicke den zweiten Akt. Die Klage, die die Gemeinde anstimmt, entspringt machtlosem Ausgeliefertsein und Hoffnungen, die sich nicht erfüllt haben: »Willst Du denn ewiglich über uns zürnen und deinen Zorn walten lassen für und für?«
»Die Gemeinde wird unruhig, will Frieden«, erklärt Dicke. Die Bitte nach Erläuterung mündet im Bewusstsein der eigenen Torheit, die tiefe Nachdenklichkeit auslöst. Dicke: »Es sind ergreifende Bilder. Die Grundwerte finden sich in schönster Harmonie. Das Bild stimmt in Glücksmomenten der Geschichte, wie nach dem Dreißigjährigen Krieg beim Friedensfest 1648 in Jena«. »Nun danket alle Gott«, dieser vielgesungene Choral aus dem 17. Jahrhundert von Martin Rinckart, entspringt diesem Geist. Er wurde mehrfach mit dem Ende von Kriegen verbunden und erklang in nachfolgenden Friedensgottesdiensten. Güte und Treue begegnen einander, Gerechtigkeit und Friede küssen sich.
Am Ende des Psalms 85 folgt ein »Triumphzug wie am Ende der Zauberflöte, ein Triumphzug der Gerechtigkeit Gottes«, so Dicke. »… dass uns auch der Herr Gutes tue und unser Land seine Frucht gebe; dass Gerechtigkeit vor ihm her gehe und seinen Schritten folge«, heißt es im AltenTestament. Aus Psalm 85 spricht die Lösung: »Frieden ist möglich. Gottes Hilfe dabei ist sicher. Wir müssen uns vergegenwärtigen, worum es eigentlich geht und dazu das Gestrüpp beiseite nehmen«, fordert Dicke.
Die Toten im Mittelmeer drängen uns, einen Weg aus der Krise zu finden, die Mitteleuropa erfasst hat und unsere Menschlichkeit auf eine harte Probe stellt. Wir müssen genau hinschauen, um zu begreifen, worum es geht. »Könnte ich doch hören, was Gott der Herr redet, dass er Frieden zusagte seinem Volk und seinen Heiligen, auf dass sie nicht in Torheit geraten«, heißt es im Text. Das ist wichtig: Nicht in Versuchung oder Torheit geraten durch falsche Argumente.
Dicke antwortet mit Zuversicht: »Es gibt immer einen Weg, vom Streiten zum Küssen zu kommen.« Darauf können wir vertrauen.

Prof. Klaus Dicke hat eine Predigt zu Psalm 85 beim Schillertag der Uni-Jena in der Stadtkirche St. Michael am 29. Juni  2018 gehalten.

Autor:

Online-Redaktion

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