Augenmerk auf Herzensbildung
»Fantasia«: In der evangelischen Kindertagesstätte in Jena steht die wertschätzende Wahrnehmung des einzelnen Kindes im Vordergrund.
Von Beatrix Heinrichs
So vielfältig wie die Lebenssituationen und Familienmodelle sind auch die Vorstellungen darüber, wie Erziehung heute auszusehen hat. Eine Herausforderung nicht nur für junge Eltern, sondern auch dort, wo das begleitete Wachsen und Werden der Kleinsten außerhalb des eigenen Zuhauses seinen Anfang nimmt: In den Kindergärten. Auch, wenn es mancherorts Kapazitätsfragen sind, die vollendete Tatsachen schaffen: Eltern möchten bedacht in die Kindergartenzeit starten, suchen aber bei der Entscheidungsfindung nach Orientierung.
»Ein eigenes Konzept als Leitlinie für die pädagogische Arbeit ist für jeden Kindergarten wichtig«, sagt Claudia Stolpmann. Gemeinsam mit Katrin Brühl leitet sie die evangelische Kindertagesstätte »Fantasia« in Jena. In der Gestaltung des Kita-Alltags aber käme es vor allem darauf an, der Herzensbildung genauso viel Raum zu geben wie der intellektuellen Förderung. Eine Maxime, von der die Pädagoginnen überzeugt sind und nach der die Kita seit nunmehr 13 Jahren arbeitet. Claudia Stolpmann und Katrin Brühl waren hier schon einige Jahre beschäftigt, bevor sie 2012 die gemeinnützige Nimmerland GmbH gründeten und die beiden Häuser »Fantasia« und »Sterntaler« vom Verein Evangelische Kinder- und Familientagesstätten übernahmen, der sie selbst nicht länger halten konnte. Heute betreuen 16 Erzieherinnen sowie eine Ehrenamtliche 90 Kinder im Alter von einem Jahr bis zum Schuleintritt.
Wenn die Leiterinnen der Kita von »Herzensbildung« sprechen – einem Wort aus der deutschen Klassik, geprägt durch Friedrich Schiller, später pädagogisch weitergedacht von Wilhelm von Humboldt –, dann ist gemeint, was im modernen Sprachgebrauch als »emotionale Intelligenz« gefasst wird: Im Wesentlichen die Empathie, die Fähigkeit, die Empfindungen des anderen wahrzunehmen und sich in seine Gefühls- und Gedankenwelt hineinversetzen zu können. Ein Ansatz, der fördern will, was auch die evangelische Kindergartenarbeit ins Zentrum stellt.
Dass sie das evangelische Betreuungskonzept des einstigen Trägers weiterführen würden, stand für Stolpmann und Brühl fest, sind doch der Glaube und das christliche Wertesystem auch für ihr persönliches Leben Anker und Kompass. Die Konfessionszugehörigkeit sei jedoch keine Aufnahmevoraussetzung, betont Brühl: »Eltern sollten aber die christliche Ausrichtung mittragen, besonders was die Gestaltung unseres Tagesablaufs betrifft.« Dazu gehören der tägliche Morgenkreis mit Bibelgeschichte und geistlichen Kinderliedern genauso wie das Dankgebet vor dem Mittagessen oder die Vorbereitung der großen Feste im Kirchenjahr und deren gemeinsames Begehen mit Eltern und Großeltern.
Jahreshöhepunkte, wie der Ostergottesdienst der Kita in der Kulturkirche in Jena-Löbstedt, sind auch nach außen sichtbare Pfeiler der christlichen Grundhaltung. In der täglichen Arbeit spiegle sich diese in einer wertschätzenden Wahrnehmung des einzelnen Kindes, erklärt Stolpmann: »Die Kinder anzunehmen mit ihren individuellen Eigenschaften und Bedürfnissen sowie ihnen einen respektvollen Umgang miteinander und gegenüber der Schöpfung zu vermitteln, ist uns wichtig.«
Die Betonung des »Individuellen« hat sich inzwischen als gemeinsamer Nenner vieler Ansätze etabliert. Während offene Konzepte den Kindern maximalen Entscheidungsfreiraum in Bezug auf die Gestaltung ihres Kindergartentags geben, setzen die Leitung und die Erzieherinnen im »Fantasia« auf klare Strukturen, Regelmäßigkeiten in den täglichen Abläufen und kleine Rituale, die das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken. »Uns geht es darum, die Kinder wirklich zu sehen und ihnen einen verlässlichen Rahmen zu bieten, der auf ihr Bedürfnis nach Sicherheit und Zuwendung eingeht.« Erst im Zusammenspiel von pädagogischem Angebot, einer liebevollen Atmosphäre und einem zugewandten Miteinander werde die Voraussetzung für eine gute Entwicklung der Kinder geschaffen, davon ist man im »Fantasia« überzeugt.
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