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»Ich bin dann mal da«

Kofferraum auf, Klappstühle und Kaffee raus: Pfarrerin Jeannette Lorenz-Büttner vor Ort in Oßmaritz beim Gespräch mit Albrecht Rödiger | Foto: Constanze Alt
  • Kofferraum auf, Klappstühle und Kaffee raus: Pfarrerin Jeannette Lorenz-Büttner vor Ort in Oßmaritz beim Gespräch mit Albrecht Rödiger
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Mit ihrer Kofferraum-Kirche will Pfarrerin Jeannette Lorenz-Büttner vom Kirchengemeindeverband Magdala auf die Leute zugehen, statt im Amtszimmer zu warten.

Von Constanze Alt

Ob Dorfkonsum, Bäckerladen, Gasthof oder Fleischerei – was früher selbstverständlich dazugehörte, existiert vielerorts auf dem Land nicht mehr. Diesem Trend, und nicht zuletzt auch Tief »Alfred« mit seinem Dauerregen zum Trotz, sitzt Jeannette Lorenz-Büttner an einem nasskalten Dienstag mitten im Hochsommer mit Campingmobiliar, Thermoskannen voller Kaffee, einem Kofferraum voller Infomaterial und einer Mini-Kirche aus Holz am Gemeindehaus in Oßmaritz bei Bucha. Und selbst der berühmte bunte Hund hätte seine Not, in puncto Auffälligkeit mit der Pfarrerin zu konkurrieren.
Dasein mitten im Ort; Präsenz zeigen, nicht nur zum Schein – das ist der bodenständige Ansatz, den Jeannette Lorenz-Büttner mit ihrem gleichwohl verrückt wirkenden Projekt verfolgt. Als Vikarin war sie vor drei Jahren mit ihrer »Kofferraum-Kirche« schon einmal durchs Jenaer Umland getourt. »Ich bin dann mal da«, hatte sie damals im Umkehrschluss zu Hape Kerkelings Bestseller »Ich bin dann mal weg« verkündet. Bäckerauto statt Jakobsweg sozusagen.
Denn mit einem Bäckerauto, das in die einzelnen Orte kommt, vergleicht sich die Pfarrerin des Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeindeverbandes Magdala, dem 14 Dörfer angehören, gern. »Aber der Mensch lebt ja nicht vom Brot allein«, hatte sich die 40-Jährige gedacht und ihren Sprechtag während der Sommerzeit vom Amtszimmer mitten ins Herz des jeweiligen Dorfes verlegt. »Ich wollte mich im Sommer raussetzen; wollte auf die Leute zugehen, anstatt im Amtszimmer zu warten, dass jemand kommt«, sagt sie. Gestartet war sie am 6. Juni in Göttern. Ebenfalls bei Regen.
Alles kann, nichts muss – nicht mehr und nicht weniger Anspruch stellt die blonde Pfarrerin an das Projekt »Kofferraum-Kirche«. Manchmal sitzt sie, die es durchaus gewohnt ist, Gottesdienste mit nur fünf Besuchern zu feiern, nahezu allein auf ihrem Campingstuhl mitten im Ort. Aber sie hat auch schon Kofferraum-Kirchen-Tage erlebt, »da kamen viele Familien mit Kindern und brachten Essen und Trinken mit«, freut sie sich.
Dass sie in Oßmaritz mit Albrecht Rödiger vom Ortschaftsrat Bucha allein sitzt, stört Jeannette Lorenz-Büttner nicht. Gleich zu Anfang sei sie mit einer Frau ihres Alters über den Gartenzaun hinweg ins Gespräch gekommen. Sie hat Kinder auf Fahrrädern gesehen und den Ort auf sich wirken lassen. Was sie sich und dem Ort schenken wollte, das war Zeit.
Wie jeder Beruf ist auch der des Pfarrers den Gesetzen einer sich mehr und mehr beschleunigenden Welt unterworfen. Auch und gerade in ländlichen Gegenden. »Ich halte Gottesdienst – und fahre wieder; ich besuche ein bestimmtes Gemeindemitglied – und fahre wieder«, beschreibt sie das übliche Prozedere. Es fehlt die Verwurzelung im Ort. »Manchmal wissen die Leute im Dorf gar nicht, dass ich die Pfarrerin bin«, hat Jeannette Lorenz-Büttner festgestellt.
Mit der Kofferraum-Kirche hingegen werde sozusagen die Komm-Struktur bedient: »Schon in der Ausbildung haben wir gelernt, mehr auf die Leute zuzugehen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Menschen nach wie vor Hemmungen haben, mit der Kirche in Berührung zu kommen«, sagt sie. Gerade hier im Osten, wo ganze Generationen mit dem Sozialismus und ohne Bezug zur Kirche aufgewachsen sind.
»Kirche findet immer da statt, wo Christen sind, unabhängig von der Kirche als Gebäude. Mir ist es wichtig, die Menschen zu erreichen«, insistiert die in Magdala lebende Pfarrerin. Und plötzlich taucht unter dem Dach des in unmittelbarer Nähe der Kirche gelegenen Buswartehäuschens, das – inklusive Campingmobiliar – kurzerhand als regensicherer Zufluchtsort bezogen wurde, ein junger Mann auf. Ganz außer Atem ist er. Ein schnell noch herbeigeeilter Christ?
»Wo komme ich hier auf dem kürzesten Weg nach Winzerla?«, will der offenbar verirrte Jogger wissen. Enttäuscht ist die Pfarrerin nicht, eher amüsiert: »Ich kriege was vom Ort mit, höre die Vögel zwitschern und nehme mir die Zeit, einfach hierzusitzen. Ich will nicht, dass die Christen sich allein gelassen fühlen. Ich will da sein.« Sie sitzt hier auch dem Zeitgeist zum Trotz.

Die weiteren Stationen (jeweils von 16 bis 19 Uhr): 29. 8. Zimmritz, 5. 9. Bucha am Gemeindehaus, 12. 9. Magdala am Stadtpark, 19. 9. Großkröbitz am Pfarrhaus, 26. 9. Nennsdorf und 17. 10. Rodias am Gemeindehaus.

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Nord

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