Theologen-Import aus der Oberpfalz
Anhaltgeschichte(n): Der erste Köthener Superintendent hat Luther bei Tisch erlebt. Johann Schlaginhaufen ist heute in Anhalt zu Unrecht vergessen.
Von Jan Brademann
Ich halte mich in Köthen zurück, ich nehme mich zusammen, und freundschaftlich suche ich zunächst überall Fühlung zu gewinnen«, schrieb Johann Schlaginhaufen 1534 an seinen Freund Georg Helt in Dessau. Der aus Neunburg in der Oberpfalz stammende Theologe war wenige Monate zuvor Pfarrer an St. Jakob in Köthen geworden. Damit hatte er sich im Vergleich zu seiner ersten Stelle in Zahna verbessert, denn die Köthener Stelle war nicht nur höher dotiert, sondern von Fürst Wolfgang von Anhalt auch als Oberpfarramt konzipiert.
Doch leichter war es ihm nicht geworden: Er fühlte sich fremd in der Stadt (1536 empfahl Luther, ihn der frischen Luft und schönen Landschaft wegen nach Wörlitz zu versetzen). Die Erwartung seines Dienst-herrn war groß: Fürst Wolfgang hatte seit 1525 die Lehre Luthers zur Richtschnur seines Glaubens und der Kirche erwählt. Und nun sollte Schlaginhaufen es richten, dieselbe auch Realität werden zu lassen. Dass er sich hierbei »zunächst« herantasten musste, zeigt, wie wenig gefestigt seine Autorität zunächst noch war.
Daran änderte seine Vorgeschichte zunächst nichts. Seit 1520 hatte er in Wittenberg studiert – mit einigem Erfolg, denn seit 1531 ging Schlaginhaufen in Luthers Haus ein und aus. Mit den dort verkehrenden Theologen Nikolaus Hausmann und Georg Helt verband ihn Freundschaft, alsbald aber auch ihr »Export« nach Anhalt: Nachdem Helt seit 1518 Prinzenerzieher am Dessauer Hof gewesen war und seit 1530 die Hinwendung der Dessauer Fürsten zur Reformation begleitet hatte, wurde Hausmann 1532 hier Hofprediger. In etwa parallel unternahmen er und Schlaginhaufen 1534/35 die ersten nachhaltigeren Schritte zur Reformation: In Visitationen wurden die Besitz- und baulichen Zustände in den Pfarreien erfasst; die Versorgung der Pfarrer und Pfarrwitwen wurde gesichert. Mittels einer Kirchenordnung schuf Schlaginhaufen die Grundlage für den Aufbau einer evangelischen Landeskirche. Die Einigkeit in den Zeremonien tue nichts für die Seligkeit, betonte er; sie spiegle aber die Einträchtigkeit in der Lehre wider. Sehr schwer erschien ihm ihre Durchsetzung zunächst. Er habe, schrieb er, »ein bäuerisches Volk von sächsischem Charakter, hoffe jedoch, dass es mit Gottes Hilfe Christus durch mich in möglichst einfältiger Weise kennenlernen soll«.
Schlaginhaufens Tätigkeit – seit Mitte der 1540er-Jahre führte er den Titel Super-
intendent – war einerseits von der Weiterverfolgung dieses Programmes geprägt, wobei ihm die Rückversicherung bei Melanchthon und Luther wichtig blieb. Andererseits hatte er sich in grundlegenderen theologischen Fragen zu bewähren. Den Höhepunkt markierte die Bundesversammlung in Schmalkalden im Februar 1537, wo er seine Unterschrift mit unter die Schmalkaldischen Artikel setzte.
Über Anhalt hinaus bekannt wurde er aber aus einem anderen Grund: Die Tischreden Luthers sind für 1531 bis 1546 überliefert. Luthers Tischgäste hatten sich einst Notizen gemacht. Schlaginhaufen gehörte als einer der ersten zu ihnen, und auf seine »Nachschriften« gehen die Jahre 1531 und 1532 wesentlich zurück (nachzulesen in: WA, Tischreden, Bd. 2, S. 1-252).
Insbesondere die religiöse Bedeutung dieses Sammelsuriums Luther’scher Aussprüche (bereits Melanchthon übte Kritik daran) hat heute nachgelassen. Doch schon in einem Zitat, das unseren Nachschreiber erkennen lässt, wird sein großer Wert deutlich, der in jener unvergleichlichen Mischung aus reflektierter Theologie, Glaubensüberzeugung und sprachlichem Pragmatismus liegt.
Schlaginhaufen hatte so gar nichts von einem »Haudrauf«, wie man seinen Namen übersetzen mag. Er litt an vielfältigen Belastungen; vor allem plagten ihn die Versuchungen (tentationes) des Teufels. »Anfechtungen können nicht alle gleich ertragen«, wandte Luther die Sorgen seines Tischgastes ins Positive: »Schla[g]inhauffen, glaubt mir, wen ir nicht so ein gutten stein im prett hett bey Gott dem Vatter, so wurdet ir die tentation nicht haben« (ebd., S. 35).
Ob Luther das Herz Schlaginhaufens mit seiner Glaubenslogik erreichte? – wissen können wir es nicht, nur vermuten. Annehmen dürfen wir, dass der Mann aus der Oberpfalz, der bis zu seinem Tod 1560 in Köthen blieb, den »sächsischen Charakter« seiner Schäfchen irgendwann nicht mehr als Problem empfunden hat. Und mag er bei seinen Pfarrern nicht unbedingt einen Stein im Brett gehabt haben – respektiert haben sie ihn allemal.
Autor:Online-Redaktion |
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