Gröbzig: Fotos von 1944 zeigen jüdischen Friedhof
Zufallsfund im Karton
Es sah nach einem ganz normalen Arbeitstreffen aus: Als Anett Gottschalk im August mit Christoph Erdmann zusammensaß, um über die weitere Zusammenarbeit des Museums Synagoge Gröbzig mit dem Köthener Schlossmuseum zu sprechen, stellte der Museumschef einen Karton voller Fotos auf den Tisch. Sie solle sich die Aufnahmen ansehen, bat er. Die Schwarz-Weiß-Fotos zeigten bestimmt Grabsteine vom Köthener Jüdischen Friedhof, nahm Christoph Erdmann an. Anett Gottschalk, Judaistin von Beruf und seit 2018 Museumsleiterin in Gröbzig, sah sofort: Jüdischer Friedhof ja, Köthen nein. Die insgesamt 163 Fotos bilden 75 Grabsteine auf dem Jüdischen Friedhof Gröbzig ab. „Zum Teil zeigen sie Gräber, die es nicht mehr gibt“, so Anett Gottschalk über den überraschenden Fund.
Die Fotos entstanden 1944 im Auftrag des „Reichsinstituts für die Geschichte des neuen Deutschlands“. Es wurde 1935 gegründet und entwickelte sich in den zehn Jahren seines Bestehens zum Zentrum der antijüdischen deutschen Geschichtsschreibung. „Es sollte die Argumente liefern, warum das Judentum verschwinden muss“, sagt Anett Gottschalk. Mit dem Fotografieren jüdischer Friedhöfe wurde 1942 begonnen.
Der Friedhof in Gröbzig wurde 1670 angelegt und in den Jahren 1809 bis 1811 erweitert. Die Steine für die Umfassungsmauer spendete Fürst August Christian von Anhalt-Köthen, der in diesen Jahren das seit langem leerstehende Gröbziger Schloss abreißen ließ. Er war es auch, der 1811 den Juden in Stadt und Land Köthen die gleichen Rechte zugestand wie den Christen. Die jüdische Gemeinde begann ab 1871 zu schrumpfen und übergab 1934 die Synagoge der Stadt Gröbzig zur Nutzung als Heimatmuseum. Wohl deshalb wurde sie im November 1938 nicht zerstört. Die wenigen Gröbziger Juden aber wurden deportiert. 1988 wurde das Museum Synagoge Gröbzig eröffnet. Zurzeit ist es wegen Sanierungsarbeiten geschlossen. Auf dem Jüdischen Friedhof sind 247 Grabsteine erhalten geblieben. Zusätzlich steht hier ein Gedenkstein für die in der Zeit des Nationalsozialismus ermordeten Menschen.
Jüdische Grabsteine enthalten grundsätzlich mehr Informationen über den verstorbenen Menschen, als das bei christlichen der Fall ist. So können die wiederentdeckten Fotos Informationen von Steinen liefern, die heute nicht mehr auf Friedhof stehen. Oder die zwar noch stehen, deren Inschrift inzwischen aber stark verwittert ist. Von den Fotos erhofft sich Anett Gottschalk neue Erkenntnisse über die jüdischen Familien, die in Gröbzig lebten – und damit eine Stärkung der Erinnerungsorte Synagoge und Friedhof. Angela Stoye
Wer den jüdischen Friedhof besichtigen möchte, melde sich bitte zwei Tage vorher an, Telefon (03 49 76) 38 08 50.
Informationen unter www.groebziger-synagoge.de
Autor:Online-Redaktion |
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