Ökumenischer Gesprächskreis
Lassen wir uns nicht zu Feinden machen
Dieser Krieg ist ein Verbrechen. Er ist durch nichts zu rechtfertigen.
Auch nicht durch Fehler und Versäumnisse der USA und der NATO in den letzten drei Jahrzehnten. Die hat es ohne Zweifel gegeben. Zu ihnen gehört auch die Zusicherung, die im Februar 1990 bei den Verhandlungen zur deutschen Einheit die Regierungen in Washington wie auch die in Bonn der Sowjetunion gegeben haben, die NATO werde sich nicht in Richtung Osteuropa erweitern. Dieses im Westen vielfach bestrittene, aber zuverlässig belegte Versprechen wurde nicht eingehalten. Dies kann aber nicht als Legitimation für den Überfall auf die Ukraine dienen.
Unsere Solidarität gilt den vom Krieg bedrängten Menschen in der Ukraine und den Menschen in Russland, die sich gegen den Krieg ihrer eigenen Regierung wehren. Sie gilt ebenso den Priestern und Gläubigen der Russischen- Orthodoxen Kirche in Russland und der Ukraine, die unter der Zerrissenheit ihrer Kirche angesichts des Krieges leiden.
In den 1980iger Jahren haben wir in der DDR und in der Bundesrepublik gegen sowjetische und amerikanische Waffen öffentlich protestiert und ein Ende der Abschreckungspolitik in Ost und West gefordert. Nach Ende des Kalten Krieges waren viele Menschen davon überzeugt, dass bei uns die Entspannungspolitik, das Konzept der gemeinsamen Sicherheit, der „Wandel durch Annäherung“ ein tragfähiges, dauerhaftes neues Miteinander statt des alten Gegeneinander eingeleitet hatte. Diese Hoffnung hat getrogen. Dies heute, im Kontext des unheilvollen Krieges Russlands in der Ukraine, nicht mehr wahrhaben zu wollen und die Politik des „Wandels durch Annäherung“ im Nachhinein zu denunzieren, kommt für uns einer Geschichtsverfälschung gleich, gegen die wir Einspruch erheben.
Wer jetzt von „Zeitenwende“ spricht, stellt infrage, dass unsere Entspannungspolitik sinnvoll war. Er stellt auch alle mühsam erkämpften friedensethischen Positionen in unseren Kirchen und in der Zivilgesellschaft infrage.
Wir halten es für falsch, wenn jetzt in unserem Land über die notwendige Ausrüstung der Bundeswehr mit Verteidigungswaffen hinaus Aufrüstung für das richtige Zeichen gehalten wird. Sicherheit und Frieden brauchen unverändert eine beispiellose politische Anstrengung. Wir halten es für falsch, wenn jetzt, fast wie in einem Überbietungswettbewerb, russische Künstlerinnen, Wissenschaftler, Sportlerinnen, von denen eine symbiotische Nähe zu Russlands Regime nicht bekannt ist, von lange geplanten Auftritten im Westen ausgeschlossen werden. Das ist das Gegenteil von Deeskalation, für die wir uns einsetzen müssen, um der Gewalt ein Ende zu bereiten.
Dass Deutschland jetzt angekündigt hat, seine historisch begründete außenpolitische Zurückhaltung gegenüber Russland aufzugeben ist verständlich und problematisch zugleich. Ihr wohnt die Gefahr inne, dass ausgerechnet wir Deutschen gegenüber Russland als die moralisch Überlegenen wahrgenommen werden, wo doch alles darauf gerichtet sein muss, politische Rahmenbedingungen zu schaffen, die ein Rückzug vom Krieg ermöglichen. Ständige Kontakte zwischen Diplomaten und Militärs auf beiden Seiten tragen hoffentlich zur Deeskalation bei.
Wir dürfen uns nicht zu Feinden machen lassen. Eine angemessene Antwort auf Russlands Aggression darf nicht darauf verzichten darüber nachzudenken, was nach Ende des Krieges bewältigt werden muss, um mit Russland ein vereintes Europa zu schaffen.
14. März 2022
Ökumenischer Gesprächskreis -
Almuth Berger, Heino Falcke, Joachim Garstecki, Ruth Misselwitz,
Hans Misselwitz, Elisabeth Raiser, Konrad Raiser, Gudrun Rein, Gerhard Rein
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