Weihnachten bei Ukraine-Flüchtlingen
Zwischen Traditionen und Sorge um die Verwandtschaft
Von Oliver Gierens (epd)
Magdeburg/Berlin (epd). Für Mykhailo Nykolaichuk ist es nicht das erste Weihnachten in Deutschland - bereits vor über 20 Jahren kam der IT-Experte zum Studium nach Magdeburg. Mittlerweile hat er hier eine feste Arbeit gefunden, lebt mit Frau und Kindern an der Elbe. Und doch ist für ihn diesmal vieles anders. Seine Familie lebt jetzt im Kriegsgebiet - zwar im vergleichsweise sicheren Westen der Ukraine, aber auch dort fielen Bomben. Und die Gemeinde der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche ist seit der Eskalation des Ukraine-Kriegs im Februar spürbar angewachsen, die Besucherzahlen in den Gottesdiensten haben sich seither etwa verdoppelt.
Das hat auch praktische Vorteile. Erstmals seit Jahren wird es in der Magdeburger Gemeinde der ukrainischen Katholiken einen Weihnachtsgottesdienst geben, erzählt Nykolaichuk. Denn die Gemeinde im Stadtteil Sudenburg in der katholischen Kirche St. Marien, wird von Pfarrer Sergiy Dankiv aus Berlin betreut. Bisher war er der einzige Priester, für jeden Gottesdienst musste er nach Magdeburg fahren. Jetzt ist ein zweiter Geistlicher hinzugekommen.
Für die Ukrainer beginnt das Weihnachtsfest etwas später. Denn ihre Kirche ist zwar mit Rom uniert, feiert aber in der byzantinischen Liturgie, erläutert Pfarrer Dankiv. Das bedeutet, dass sie sich am julianischen Kalender orientieren, der Heiligabend fällt auf den 6. Januar, an dem die westlichen Kirchen Dreikönig feiern. So findet die Weihnachtsliturgie erst am 7. Januar statt. Bis dahin wird traditionell gefastet, erklärt der ukrainisch-katholische Geistliche.
Das gilt sogar für die Feier am Heiligabend, bei der traditionell zwölf Speisen serviert werden. Fleisch ist dabei tabu, auf den Tisch kommt vor allem Kutja, gekochter Weizen mit Honig, Walnüssen oder Mohn. Während beim Essen noch Zurückhaltung geübt wird, gebe es an diesem Abend traditionell viel Gesang, berichtet Dankiv. Zehn bis zwölf Weihnachtslieder gehörten an diesem Familienabend dazu.
Auch Mykhailo Nykolaichuk wird auf diese Weise Weihnachten feiern. Dazu gibt es einen besonderen Tischschmuck aus Stroh, der Familienälteste hält eine kurze Ansprache. Bei ihm kommt in diesen Kriegszeiten bislang kaum Weihnachtsstimmung auf. „Für mich selber ist jetzt noch keine Feststimmung“, sagt der junge Mann. „Aber vielleicht wird es kurz vor Weihnachten entspannter.“ Viele Menschen aus seiner Gemeinde haben zu Hause Verwandtschaft zurückgelassen, manche spielten sogar mit dem Gedanken, sie über die Feiertage zu besuchen - obwohl dort ständig Heizung oder Strom ausfallen. „Ich persönlich hätte vielleicht Lust, meine Eltern und Geschwister zu besuchen, aber meine Frau hat etwas dagegen“, erzählt Nykolaichuk.
Wo persönliche Besuche oft nicht möglich sind, drückt sich Hilfsbereitschaft auf andere Weise aus. So schickt die ukrainisch-katholische Gemeinde Weihnachtspäckchen Richtung Heimat, auch die gastgebende Pfarrei St. Maria beteiligt sich. Nadja Pilipcuk organisiert die Transporte. Die Ukrainerin lebt seit 1997 in Magdeburg, arbeitet dort als niedergelassene Ärztin. Bereits mehrere Hilfstransporte seien Richtung Ukraine gegangen, unter anderem warme Kleidung und Erkältungsmedikamente, aber auch Stromgeneratoren und Petroleumlampen.
Vor kurzem sei eine Dame aus der römisch-katholischen Gemeinde in ihre Praxis gekommen und habe mehrere handgestrickte Decken, aber auch selbstgemachte Puppen als Spende vorbeigebracht, erzählt die Ärztin: „Die waren wunderschön. Wie viel Zeit muss man investieren, um so etwas zu machen?“
Autor:Oliver Gierens |
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