Akustische Architektur
Magdeburg: Klanginstallation verarbeitet 48 Werke Georg Philipp Telemanns
Von Michael von Hintzenstern
Telemann-Sphere« ist der Titel einer Klanginstallation des Komponisten Oliver Schneller, die im Kunstmuseum Unser Lieben Frauen in Magdeburg zu erleben ist. Das begehbare Kunstwerk ermöglicht das Wiedererkennen Telemannscher Werke, aber auch ein neuartiges Klangerlebnis.
Der Besucher tritt in eine ihn quasi umkreisende Klangwolke, in der sich gleichzeitig zwölf verschiedene Stücke überlagern. Aus dieser treten nach und nach einzelne Kompositionen als »Stränge« hervor. Wie Details im Zoom einer Kamera werden diese plötzlich klar als Einzelkompositionen Telemanns erkennbar. Achtundvierzig Werke aus den unterschiedlichsten Schaffensperioden des in Magdeburg geborenen Komponisten erscheinen in der Installation des Klangkünstlers in einer ganz neuen Dimension. Dafür hat Carsten Lange (Zentrum für Telemann-Pflege und -Forschung) unterschiedlich besetzte Stücke aus Telemanns über 3 600 Titel umfassendem Gesamtwerk zusammengestellt. Die Auswahl unterstreicht kontrastreich die außergewöhnliche Vielfalt seines musikalischen Schaffens, das über Jahrzehnte dem sich wandelnden Musikgeschmack maßgebliche Impulse verlieh und daher auch stilistisch breit gefächert ist.
Der in Köln geborene Tonschöpfer Oliver Schneller (51) ist künstlerischer Leiter des Magdeburger »Sinuston-Festivals«. Der international gefragte Klangkünstler wirkt seit 2015 als Professor für Komposition an der Eastman School of Music in Rochester. Er hat mit vielen renommierten Ensembles zeitgenössischer Musik zusammengearbeitet und ist auf den großen internationalen Festivals Neuer Musik ein gern gesehener Gast.
Schneller nutzt die 48 Kompositionen, indem er sie auf neue Weise zusammensetzt und miteinander ins Verhältnis bringt. Dafür hat er eine fünfteilige Struktur geschaffen, die sich an miteinander verwandten Tonarten orientiert. Aus insgesamt 22 Lautsprechern erklingen bis zu 12 Kompositionen gleichzeitig und erlauben dem Besucher auf engstem Raum ein Eintauchen in Telemanns musikalischen Kosmos. Für diesen virtuellen Klangraum hat Schneller eine trapezförmige Anordnung geschaffen, gleichsam eine begehbare akustische Architektur. »Die unfassbare Menge an Kompositionen Telemanns hat mich auf die Idee der Schichtung gebracht«, sagt Schneller. Außerdem müsse der Komponist bei diesem Arbeitspensum an mehreren Kompositionen gleichzeitig gearbeitet haben. Diesem Eindruck solle in der Installation ebenso nachgespürt werden können wie der Ungeduld und Schnelllebigkeit der Gegenwart. »Kaum jemand wird sich hinsetzen und sämtliche Telemann-Kompositionen von Anfang bis Ende durchhören«, sagte Schneller, den die hochexpressive Musik Telemanns sehr beeindruckt hat. Die Klanginstallation solle auch staunen machen, dass die große Bandbreite dessen, was erklingt, tatsächlich alles Telemann ist.
Michael von Hintzenstern
Bis 27. August: Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen, Untere Tonne
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