Drama in Rot und Schwarz
Glaskunst: Max Uhlig hat mit den Fenstern für die Magdeburger Johanniskirche sein Lebenswerk vollendet.
Von Katja Schmidtke
Ein sonniger Wintertag. In der Magdeburger Johanniskirche – über die Jahrhunderte vier Mal zerstört und wieder aufgebaut, einst geweihte Kirche, heute Festsaal der Stadt – strahlt und leuchtet es. Das Sonnenlicht bricht sich in den zwölf Meter hohen Fenstern und taucht das Kirchenschiff in orangene und rote Schattierungen.
Katja Lehmann lächelt. »Wunderbar, oder?«, sagt die Schatzmeisterin des Kuratoriums zum Wiederaufbau der Johanniskirche. Das Kuratorium hat nicht nur den von der Stadt geplanten Aufbau der kriegszerstörten Kirche nach der Wende begleitet und unterstützt, sondern setzt nun einen Schlusspunkt; einen mit viel Farbe.
Das Ensemble aus sechs Langhaus- und sieben Chorfenstern ist für den Künstler Max Uhlig gleichermaßen Neuland und Spätwerk. Der 1937 in Dresden geborene Maler und Grafiker zählt zu den wichtigsten deutschen Künstlern der Gegenwart. Erstmals für die Magdeburger Johanniskirche arbeitete er mit Glas.
Max Uhlig begann als Kind zu malen. Dass er in der Nachkriegszeit zunächst nur zwei Stifte in den Farben Schwarz und Rot besaß, das sieht man seiner Kunst bis heute an. Abstrakt und ausdrucksstark arbeitet er, mit kräftigen Pinselschwüngen, immer in Bewegung. Seine Themen sind Pflanzen und Landschaften in stark abstrahierter Form. Das kräftige Rot, durchzogen von einem schwarzen Liniengeflecht, auf den Fenstern der Johanniskirche mag so manchen Magdeburger an die Luftangriffe 1944/45 erinnern, die abstrahierten Weinstöcke auf den Chorfenstern an Ruinen, auch an Stacheldraht. Diese Assoziationen sind möglich. Uhlig ist nicht festgelegt, was die Deutung seiner Kunst betrifft. Die Vorlage für die dramatischen Farbfenster ist eine holsteinische Landschaft; ein Uhlig-Gemälde, das ausgerechnet bei einem Brand verloren ging.
Das Kuratorium hat die skeptischen Stimmen der Magdeburger wohl vernommen. »Aber sie wurden leiser, je mehr Fenster eingebaut worden sind«, sagt Katja Lehmann vom Kuratorium. Das Projekt ging in Etappen voran: die erste Idee vor gut zehn Jahren, der Projektbeginn 2013 und der Einbau der letzten Fenster im vergangenen Jahr.
Vor ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg hatte die Kirche farbige Fenster. Doch Fotografien oder gar Vorlagen fehlten. So entstand die Chance, etwas Neues zu schaffen und dem zumeist weltlich genutzten Raum eine geistige Aura zurückzugeben.
Max Uhlig war von Beginn an begeistert. »Schon beim ersten Besuch spürten wir diese Energie, wie es in seinem Kopf arbeitete. Noch bevor wir über Geld oder Details redeten, hatten wir die ersten Entwürfe«, erinnert sich Katja Lehmann. Uhlig ließ sich auch die Herstellung nicht aus der Hand nehmen. Das auf Glasmalerei spezialisierte Unternehmen »Derix Glasstudios« aus Taunusstein betrat dahingehend Neuland, dass nie zuvor ein Künstler derart am Schaffensprozess mitgewirkt hat. Die mundgeblasenen Glasscheiben wurden in mehreren Schritten bearbeitet und zu einem großen Ganzen zusammengesetzt. Auch die Grisaille-Fenster des Chors sind nicht einfach schwarze Malerei auf weißem Glas. Als Grisaillen (französisch gris = grau) werden in der Glasmalerei Fenster bezeichnet, die ganz oder zum größten Teil aus farblosem Glas bestehen. In das Opak- wurde Klarglas eingeschmolzen, so entstehen je nach Sonnenstand und Wetter silbern und golden funkelnde Effekte.
Rund 310 Quadratmeter Glas hat Max Uhlig gestaltet. »Das ist einmalig«, schwärmt Katja Lehmann. Das Kuratorium erhofft sich einen touristischen Effekt: Das Gesamtkunstwerk Uhligs reihe sich ein in Glas- und Raumkunstprojekte von Neo Rauch und Thomas Kuzio im Naumburger Dom, Markus Lüpertz in Gütz bei Landsberg bis zu Günter Grohs im Halberstädter Dom.
Stifter und Spender der Kirchenfenster
Das Magdeburger Fensterprojekt kostete insgesamt rund 1,37 Millionen Euro. Das Kuratorium sammelte rund eine halbe Million Euro an Spenden von Einzelpersonen, Firmen und bei Benefizkonzerten ein. Mehr als eine dreiviertel Million Euro kamen aus Fördertöpfen. Zu den größten Einzelstiftern zählt die Ostdeutsche Sparkassenstiftung, die das Vorhaben mit insgesamt 400.000 Euro unterstützte. Projekte zur Reformationsgeschichte förderte die Ostdeutsche Sparkassenstiftung im Gebiet der EKM auch in Mühlberg, Torgau, Eisleben, Allstedt und Wieserode.
Weitere 172.000 Euro stifteten die Lotto-Toto GmbH Sachsen-Anhalt und 120.000 Euro die Kunststiftung Sachsen-Anhalts. Im Zuge des Reformationsjubiläums stellte das Land 82.000 Euro zur Verfügung.
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