Gesprengte Hoffnung
Die Zerstörung im Zweiten Weltkrieg hat Magdeburg für immer verändert. Damit nicht genug. Nach 1945 wurden Bauwerke, die nicht in den Zeitgeist passten, einfach beseitigt.
Von Angela Stoye
Pfingsten 1951 muss für die Magdeburger Christen voller Hoffnung gewesen sein: Hoffnung darauf, dass wieder etwas gut würde in der Stadt, die gegen Ende des Zweiten Weltkrieges stark zerstört worden war. Ein altes Foto zeigt: Dicht gedrängt saßen die Magdeburger in der Heilig-Geist-Kirche und feierten den Gottesdienst zu deren Wiedereinweihung mit. Die mittelalterliche Kirche, Taufkirche des Barockkomponisten Georg Philipp Telemann, war ebenso zur Ruine geworden wie die anderen Kirchen im Zentrum. Doch mit Hilfe aus dem Ausland konnte sie als erste evangelische Kirche wieder aufgebaut, ab 1950 genutzt und im Jahr darauf eingeweiht werden. Der Dom zum Beispiel wurde erst 1955 mit der Amtseinführung von Bischof Johannes Jänicke eröffnet. Hoffnung auf wiedererstehende Kirchen also, die sich in den nächsten Jahren zerschlagen sollte.
Dass in der DDR fast 60 Kirchen dem sozialistischen Stadtumbau weichen mussten, war Thema eines Gesprächsabends der Landeszentrale für politische Bildung Ende Juni in Magdeburg. Nicht ohne Grund, denn in der Elbestadt wurden zehn kriegsbeschädigte Kirchen »Einfach weggesprengt«, so das Motto des Abends. Außer der Heilig-Geist-Kirche wurden bis 1964 gesprengt oder abgerissen: St. Ulrich und Levin, St. Katharinen, St. Jakobi, die Martinskirche, die Lutherkirche, die Deutsch-Reformierte und die Französisch-Reformierte Kirche sowie zwei säkularisierte Kirchen: das Zeughaus (ehemals St. Nikolai) und die Evangelische Schule (ehemals Franziskanerkloster).
»Die meisten Kirchen hätten gerettet werden können«, sagte Christian Halbrock, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen in Berlin. Doch das sei bei der sozialistischen Umgestaltung der Städte nach dem Vorbild der Sowjetunion – zum Beispiel mit Magistralen für Aufmärsche – nicht vorgesehen gewesen. »Die Kirchengebäude und das Wächteramt der Kirchen störten bei der Umerziehung zum ›neuen Menschen‹«, so Halbrock. Der Historiker sagte, dass im Fall, dass eine Stadt zur Bezirksstadt wurde, dies oft nichts Gutes für historische Bauten bedeutete. Und: »Verfall und Abriss von Dorfkirchen sind überhaupt noch nicht aufgearbeitet.«
Der Magdeburger Architekt Michael Sußmann verwies in seinem Vortrag »Vom Vergehen der Gotteshäuser in der Stadt Magdeburg« auf die Schwierigkeit, über eine Zeit zu urteilen, die man selber nicht miterlebt habe. Die Ergebnisse der beiden Architekturwettbewerbe, die noch in den 1940er Jahren für den Wiederaufbau Magdeburgs ausgeschrieben wurden, verzeichneten noch alle Kirchen. Erst ab 1950 und mit den »16 Grundsätzen des Städtebaus« habe sich das geändert. »In den Wiederaufbauplänen, die die Tageszeitung Volksstimme am 1. Mai 1953 veröffentlichte, fehlten die Kirchen.« Und ein im Zentrum geplantes, aber nie gebautes »Haus des Schwermaschinenbaus« sollte mit seinem 110 Meter hohen Turm den Dom überragen. Zwar war laut Beschluss der Evangelischen Kirche in Deutschland Magdeburg 1956 zur Stadt des kirchlichen Wiederaufbaus erklärt worden. Aber das habe nichts genützt. Ebenso wenig wie Verhandlungen der Kirchenvertreter mit der Stadt und Proteste, zuletzt 1964 durch Bischof Johannes Jänicke, gegen die Beseitigung der Ruine der Katharinenkirche, deren Erhalt nach dem Abriss der Heilig-Geist-Kirche 1959 zugesagt worden war.
Mit Kirchen gingen auch ihre Kunstschätze verloren. Einige gerettete Steinmetzarbeiten fanden Platz in und an der wieder aufgebauten Wallonerkirche. Sie lassen ahnen, was da verloren ging.
Zum Weiterlesen: Berichte der Magdeburger Kirchenleitung zu den Tagungen der Provinzialsynode 1946–1989, herausgegeben von Harald Schultze. Vandenhoeck & Ruprecht, 2005, Seite 133 und Seiten 206/207
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Autor:Online-Redaktion |
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