Magdeburg feiert Telemann
Telemania: Am 4. März bricht sie in Magdeburg aus. Die Stadt erinnert mit einem umfangreichen Programm an einen Künstler, der zeitweilig fast vergessen war. Eine Spurensuche aus Anlass seines 250. Todestages.
Von Angela Stoye
Der Name Georg Philipp Telemann (1681–1767) taucht im Magdeburger Stadtbild öfter auf. Die Konzerthalle im Kunstmuseum Unser Lieben Frauen trägt ihn ebenso wie das Konservatorium der Stadt. Auch eine Straße ist nach ihm benannt. Das Zentrum für Telemann-Pflege und -Forschung setzt sich wissenschaftlich mit seinem Leben und Werk auseinander.
Wer aber in Magdeburg originale Zeugnisse aus dem Leben des Barockkomponisten sucht, hat es schwer. Fast alles, was an seine Kindheit und Jugend in der Stadt erinnern könnte, ist zerstört: das Geburtshaus, die Taufkirche, die Schulen. »Das hohe geistige und mitmenschliche Klima in seiner Familie und die Bildung, die er in den Schulen der Stadt empfing, haben ihm viel für seinen Lebensweg gegeben«, sagt Carsten Lange, promovierter Musikwissenschaftler und Leiter des Zentrums für Telemann-Pflege
und -Forschung Magdeburg. »Jahre nach seinem Weggang aus Magdeburg hat Telemann in Briefen und seinen drei gedruckten Autobiografien darauf hingewiesen.«
Georg Philipp Telemann stammt aus einem evangelischen Pfarrhaus. Sein Vater Heinrich hatte die zweite Pfarrstelle an der Heilig-Geist-Kirche inne. Seine Mutter Johanna Maria, die gerne und sehr gut sang, kam ebenfalls aus einer Pfarrfamilie. Die Telemanns lebten von 1679 bis 1690 wohl in einem Haus in der Judengasse. Getauft wurden die Kinder in der Heilig-Geist-Kirche. Beide Gebäude stehen nicht mehr. Georg Philipp besuchte die Schule am Magdeburger Dom, die sich im Südteil des Kreuzganges befand, und die Altstädtische Schule, ein Gymnasium mit reicher Musiktradition. Im Zweiten Weltkrieg zerstört, wurden dessen Reste später abgetragen. Die 1685 verwitwete Mutter Telemanns kaufte 1690 nahe der Wallonerkirche ein Haus, das ebenfalls nicht mehr steht.
In der Kirche aber wird der Suchende auf Telemanns Spuren fündig. Im Kirchenschiff steht eine Glocke, die Jakob Wentzel (gest. 1693), Bürger, Brauer und Glockengießer in Magdeburg, 1683 goss. Sie ist 595 Kilogramm schwer, misst 99 Zentimeter im Durchmesser und ist, so Carsten Lange, in mehrfacher Hinsicht bedeutend. Erstens steht sie für den Wiederaufbau und das langsame Erstarken der 1631 im Dreißigjährigen Krieg zerstörten Stadt Magdeburg. Zweitens zeugt die kunstvolle Arbeit vom hohen Stand des Glockengießerhandwerks in Magdeburg und drittens verweist sie direkt auf die Familie Telemann. Denn zur reichen Glockenzier gehören neben einer Taube als Symbol für den Heiligen Geist auch Namen: Diaconus Henricus Telemann, der Vater des Komponisten; das Mitglied des Kirchenkollegiums Daniel Sebastian Lange als sein Patenonkel und der Kirchenälteste H. C. Dietrich Nolte, Ehemann der Taufpatin Georg Philipp Telemanns.
Die Glocke der 1945 zerbombten, später wieder aufgebauten und 1959 abgetragenen Heilig-Geist-Kirche überstand den Zweiten Weltkrieg nur durch Zufall auf dem Glockenfriedhof in Hamburg, wohin sie zum Einschmelzen gebracht worden war. Die Telemann-Glocke wurde, weil sie gesprungen war, 1951 zur Glockengießerei nach Apolda überführt. Erst 1983 kehrte sie nach Magdeburg zurück. Sie ist Eigentum der Altstadtgemeinde und steht im Schiff der Wallonerkirche. Der Sprung wurde zwar in Apolda geschweißt, aber ihr Klang ist dahin.
Magdeburg besitzt noch ein weiteres Zeugnis, das in direktem Zusammenhang mit Georg Philipp Telemann und seiner Familie steht. Es ist der Grabstein des Domherren Georg Philipp von Veltheim (1644–1683), ein weiterer Taufpate des Komponisten, der sich in der Nordwestecke des Dom-Kreuzgangs befindet und nach dem der später berühmte Komponist seine Vornamen erhielt. »Durch den Krieg ist in Magdeburg sehr vieles unwiederbringlich verloren«, bedauert Carsten Lange. Umso wertvoller seien die Glocke und der Stein.
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