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Schmerz, der das Herz zerreißt

Elisabeth von Maltzan und ihr Sohn Christoph hatten einander nur wenige Stunden. | Foto: Archiv Inventarisierung EKM (Nord)
  • Elisabeth von Maltzan und ihr Sohn Christoph hatten einander nur wenige Stunden.
  • Foto: Archiv Inventarisierung EKM (Nord)
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Vielen Frauen drohte in früheren Jahrhunderten der Tod im Kindbett. Ein Denkmal im Magdeburger Dom-Remter zeugt davon.

Von Bettina Seyderhelm

Geliebte im Herrn …«, so redete Siegfried Sack am 14. März 1574 die Trauergemeinde für Elisabeth von Maltzan (Moltzan) zu Beginn seiner Predigt an, bevor die junge Frau im Domkreuzgang zur letzten Ruhe gebracht wurde. Sie war nach fünfeinhalb Jahren Ehe im Kindbett gestorben. Als Predigttext hatte der erste evangelische Domprediger in Magdeburg die biblische Geschichte von Rahel (1. Mose 35,16-21) gewählt, deren Schicksal die Verstorbene teilte.
Heute geht die Magdeburger Domgemeinde in jedem Winterhalbjahr an ihrem reich verzierten Denkmal mit Säulen und Giebeln vorbei, wenn sie den Remter zum Gottesdienst durch den südlichen Eingang betritt. Zu sehen ist ein Bildnis der Frau von Maltzan. Sie hält mit beiden Händen einen winzigen Säugling vor ihrem Körper, der Blick ist fest auf den gekreuzigten Christus gerichtet. Die Inschriften an diesem Bildwerk sind nicht ganz leicht zu lesen. Die Predigt des Dompredigers aber erzählt eine bewegende Geschichte. Sie wurde später gedruckt und zeigt uns heute noch, wie stark das Schicksal der Frau und ihres Kindes ihn und auch die Familie der Verstorbenen beschäftigt haben müssen. Zugleich aber spricht sie von der festen Glaubenszuversicht, dass Schwangere im Leben und im Tod unter Gottes Schutz stehen.
Elisabeth von Maltzan hatte am 12. März 1574 gegen ein Uhr früh einem Sohn das Leben geschenkt und war drei Stunden darauf gestorben. Wir kennen den Namen des Kindes. Die Zeit vor der Geburt des kleinen Christoph war so brisant gewesen, dass Siegfried Sack die Leiden der Frau in seiner Predigt für schwerwiegender befand, als die eines Märtyrers, »dem der Kopff im Augenblick abgerissen wird«.
Aus seinen Worten erfahren wir nicht nur manches über die Anteilnahme am Schicksal Schwangerer im Reformationsjahrhundert, sondern auch über damalige medizinische Beobachtungen. Der Domprediger nennt die Mühen der Frauen, wenn sie mit »schweren Füßen gehen«, und er spricht von den Gefahren und Schmerzen, die alle Mütter zu ertragen haben, ob sie nun Kaiserinnen oder Bettlerinnen sind. Der Zeit entsprechend ist auch von der Berufung der Frau die Rede, doch werde das Wunder der Geburt oft viel zu gering geachtet, weil es täglich geschehe. Sack war selbst Familienvater. In der Predigt für Frau von Maltzan berichtet er staunend, dass sie vor ihrer Niederkunft 26 Wochen lang unter dem »Quartanfieber« gelitten habe, einer Malariainfektion. Dass sie so lange am Leben geblieben sei und unter diesen Bedingungen das Kind nicht verloren habe, sei bewundernswert. Man könne ja Schwangeren »nicht wie andern Arzney eingeben wegen der Gefahr«. Ohne Medizin aber sei das Quartanfieber eine unberechenbare Krankheit.
Weiter wendet sich der Prediger dem Kummer des Witwers zu. Seinen »Ehegemahl« zu verlieren sei, »als wenn einem ein halbes Herz aus dem Leibe … gerissen würde«. Zugleich aber wird der Zurückgelassene ermahnt, sich des verwaisten Säuglings anzunehmen. Man sähe sonst leider oft, dass solche Kinder vergessen würden, »sobald die Mutter aus dem Haus getragen« worden sei. Eng am Predigttext, verweist er auf Jakob, der ein besseres Beispiel gäbe, weil er sich nach Rahels Tod des kleinen Benjamin liebevoll annahm. Und Jakob wird noch in einer anderen Weise beispielhaft genannt. Nach dem Text der Bibel berichtet der Domprediger von dem Monument, das Jakob der Rahel auf ihrem Grab aufgerichtet habe. Das Denkmal für Elisabeth von Maltzan könnte also auf diese Anregung zurückgehen. Dass der Domprediger einen solchen Anstoß aus gutem Grund gegeben hat, ist möglich. Denn obwohl zahlreiche Zeitgenossinnen das Los der Elisabeth teilten, hatte der Magdeburger Dom bis dahin kein vergleichbares Denkmal. Nach seiner Errichtung konnte es auch zum Trost für andere dienen.
Bis in das 20. Jahrhundert hinein sind viele Frauen wie Elisabeth von Maltzan im Kindbett verstorben. Ein Gebet für die Frauen »in der Stunde der Not« legt noch im aktuellen Gesangbuch (EG 901) Zeugnis davon ab, wie nahe selbst heute ein solcher Tod ohne die moderne Medizin sein könnte.

Die Autorin ist promovierte Kunsthistorikerin und Fachreferentin für Kunst- und Kulturgut im Kirchenamt der EKM am Standort Magdeburg.

Autor:

Kirchenzeitungsredaktion EKM Nord

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