Der Luther vom Dorfe
Fotoprojekt mit Lutherdarstellungen aus Südthüringen
Von Susann Winkel
Ob sie einen Lieblings-Luther hat? Beate Marwede muss ein wenig kichern. Sie bittet an ihren Schreibtisch, öffnet die Internetseite ihres Kirchenkreises und klickt durch die Bildergalerie. Bei Bild Nummer 6 von 33 stoppt sie. Es zeigt ein Altar-Detail aus dem »Dom der Rhön«, wie die erstaunlich groß geratene Dorfkirche von Helmershausen auch genannt wird: Martin Luther mit der aufgeschlagenen Bibel vor der Brust. Es ist aber nicht die kleine Holzfigur an sich, was die Superintendentin so amüsiert, ist ihre Position – hoch oben zur Linken des erhöhten Christus. »Das ist protestantische Ikonografie«, erklärt Beate Marwede. Zu Christus’ Rechten hat der Künstler übrigens Philipp Melanchthon platziert.
Die Luther-Darstellungen, vor allem die in den Dorfkirchen des Meininger Kirchenkreises, haben es ihr schon seit einigen Jahren angetan. Alles nahm seinen Anfang mit diesem seltsamen Dr. Martin Luther in Wohlmuthausen. 2013 war es, bei einer Visitation, als Beate Marwede die Regionalbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt auf jenen um die Nase so ungesund grünen Reformator aufmerksam machte. Falls der Maler seinerzeit die Farben nicht allzu eigenwillig gewählt hatte, war wohl eine chemische Reaktion am Werk. Auf jeden Fall ein bemerkenswertes Exemplar – nicht das einzige im Kirchenkreis.
Damals keimte die Idee, die vielen Luther-Bildnisse in den Kirchen und Gemeindehäusern – Gemälde in Öl, Kunstdrucke, Fensterbilder sowie einige Statuen – zumindest als Fotografien einmal gemeinsam zu zeigen. Eine erste Foto-Sammlung aus den Gemeinden wurde vor zwei Jahren wieder zurückgestellt, zu unterschiedlich waren die Zusendungen. Zum Gedenkjahr 2017 aber gelang die Umsetzung.
Dorothea Brandt, eine junge Lehrerin, die am Evangelischen Gymnasium in Meiningen unterrichtet und in ihrer Freizeit schon mehrere öffentliche Fotoprojekte realisierte, nahm sich des Themas an. Überall im Kirchenkreis ließ sie sich den hängenden oder stehenden Reformator zeigen und fertigte dokumentarische Aufnahmen an. Diese sind nun online.
»Wir tun das nicht zur Verherrlichung von Martin Luther«, betont Beate Marwede. »Wir verstehen die Luther-Darstellungen als eine Erinnerung an die lutherische Tradition und das lutherische Selbstverständnis der Kirchengemeinden im Kirchenkreis Meiningen.« Wobei diese Tradition und das Selbstverständnis höchst unterschiedlich Ausdruck finden: Luther ist mal als Gelehrter zu sehen, mal mit dem symbolträchtigen Schwan an seiner Seite, mal in herrschaftlicher Pose mit Hermelinpelz. Über die Künstler ist wenig bekannt, auch nicht über die Geschichte der Arbeiten. Hier könnte in den einzelnen Gemeinden weitergeforscht werden. Überraschend: Im größten Gotteshaus des Kirchenkreises, dem auf dem Meininger Marktplatz, gibt es keinen Reformator zu entdecken. Nicht einmal an verborgener Stelle. Auch der Luthersaal im Meininger Gemeindehaus kommt ohne Darstellung seines Namensgebers aus.
Dieser aufmerksame, neugierige Blick auf die künstlerische Ausstattung der Kirchen ist ein willkommener Effekt des Fotoprojektes, das ab dem Spätsommer auch in Meiningens Städtischer galerie ada präsentiert wird.
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