Reformation ging nicht alleine
Luthers ungeliebte Brüder: Mitteldeutschland hat mehr zu bieten als Martin Luther. Zahlreiche Theologen mit ihren alternativen Reformationsideen will eine Ausstellung in Mühlhausen ins rechte Licht setzen.
Von Diana Steinbauer
Die Reformation – das ist Martin Luther, aber eben nicht nur. »Wir feiern kein Lutherjubiläum, wir feiern ein Reformationsjubiläum«, betont deshalb der Direktor der Mühlhäuser Museen, der Historiker Thomas T. Müller. »Man muss schauen, wer war damals noch unterwegs? Was haben die anderen frühen Reformatoren gedacht und geschrieben? Was hatten sie für Ideen?«
Müller hat darum mit seinen Mitstreitern die Ausstellung »Ungeliebte Brüder« in der Kornmarktkirche in Mühlhausen konzipiert. Sie lenkt den Blick auf jene Theologen, die von der reinen lutherischen Lehre abwichen und eigene, teilweise radikale reformatorische Ideen verfolgten. »Ungeliebte Brüder«, so hat Luther die anderen Reformatoren nie bezeichnet. »Der Titel drückt aus, dass diese Menschen damals auf dem gleichen Weg waren, wobei der eine oder andere einen anderen Abzweig nahm«, so Müller. Wie in so mancher Familie, wo man nicht immer der gleichen Ansicht, aber dennoch miteinander verbunden ist.
Theologen, wie Luthers Doktorvater Andreas Bodenstein, genannt Karlstadt, der einer der produktivsten Flugschriftenautoren der frühen Reformation war, werden in der Ausstellung ebenso gewürdigt wie der ehemalige Benediktiner Matthäus Hisolidus, der in Mühlhausen und Creuzburg wirkte. Karlstadt verließ Wittenberg nach den Unruhen von 1521 und 1522 und nachdem er sich öffentlich für die Entfernung aller Heiligenbilder aus den Kirchen eingesetzt hatte. Dadurch war es bereits zum Bruch mit Luther gekommen. In Orlamünde, wo er ab 1523 als Pfarrer wirkte, setzte er seine reformatorischen Ideen um. Den Gottesdienst hielt er in deutscher Sprache. Altäre, Bildnisse und Heiligenfiguren verschwanden aus der Kirche. Auf Betreiben Luthers erhielt Karlstadt in Kursachsen ein Predigt- und Schreibverbot, 1529 ging er nach Zürich und Basel, wo er 1541 starb.
Über das Schicksal von Hisolidus ist gar nichts bekannt. Der unbequeme Reformator, der 1525 aus Creuburg ausgewiesen wurde, verschwindet spurlos. Auch andere bedeutende Reformatoren dieser Zeit verlieren sich im Nebel der Zeit: von Heinrich Pfeiffer, dem Reformator in Mühlhausen, ist ebenso wenig die Rede wie von Jakob Strauß. Letzterer gilt als Reformator Eisenachs. Denn auch, wenn Luther auf der Wartburg war und einige Predigten in der Stadt hielt, die protestantische Bewegung hatte in der Wartburgstadt der ehemalige Dominikaner Strauß umgesetzt.
Strauß, der aus Basel stammte, erlangte überregionale Bedeutung. Seine Schriften wurden zahlreich nachgedruckt. Seine Schrift wider die Wucherzinsen, in der er nicht nur die verurteilt, die Wucherzinsen erheben, sondern auch jene, die diese zahlen, wurde zum Politikum. Die Herrschenden waren rasend, und auch Luther sah sich in der Pflicht zu handeln und ging gegen den »Irrlehrer« vor.
Thomas Müntzer ist wohl der berühmteste der »anderen« Reformatoren und als Widersacher Luthers bekannt. Darum fehlt auch er nicht in der Reihe der »ungeliebten Brüder«. Der Historiker Müller betrachtet Müntzer als das erste innerprotestantische Opfer der Reformation. »Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, Müntzer wird zum Synonym für die Aufständischen des Bauernkrieges und wird damit zum ersten innerprotestantischen Ketzer gemacht. Strauss ergeht es ähnlich.«
Wer damals nicht der reinen lutherischen Lehre folgte, verschwand, wie etwa Fritz Erbe im Turm der Wartburg oder Hisolidus im Nebel der Zeit. Die grausame Polemik, mit der Luther und seine Anhänger zum Beispiel Thomas Müntzer straften, hält bis heute an. Ein Umstand, den die Ausstellung in der Kornmarktkirche in Mühlhausen zu ändern versucht.
Die Ausstellung »Luthers ungeliebte Brüder« ist noch bis zum 31. Oktober im Bauernkriegsmuseum Kornmarktkirche in Mühlhausen zu sehen. Dienstag bis Sonntag, 10 bis 17 Uhr.
www.mhl-museen.de
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