Durst stillen
Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser!
Jesaja 55, Vers 1 a
Von Michael Tetzner
Auf einer Bergwanderung machte ich einen verhängnisvollen Fehler. Der Tag war sehr heiß. Ich wanderte schon mehr als sechs Stunden immer nur bergauf und hatte zu wenig Wasser mitgenommen. Sehnsüchtig blickte ich zum Gebirgsbach, neben dem mein Wanderweg entlangführte. Das Wasser sah so schön kühl und klar aus. Ich wusste zwar, dass ich nur aus der Quelle trinken sollte, aber ich hielt den Durst nicht mehr aus und trank das Wasser aus dem Gebirgsbach. Am nächsten Tag plagten mich solche Bauchkrämpfe, dass ich aus dem Hochgebirge absteigen musste. Ich musste erkennen, dass selbst im oberen Gebirgsland das Wasser mit Bakterien verunreinigt sein kann.
Den geschundenen Menschen in Babylon wurde im Exil Wasser und Brot angeboten. Es wird von dem Gott angeboten, den sie zuerst als Volk verlassen hatten und von dem sie sich jetzt verlassen fühlen.
In unserer Zeit haben sich auch viele Menschen von Gott abgewandt. In unserer Region sind sich viele nicht einmal mehr bewusst, dass es einen Gott gibt, von dem sie sich abwenden können. Wenn man heute z. B. in der Lutherstadt Wittenberg auf der Straße Menschen fragt, ob sie Christen sind, antworten viele: »Nein, wir sind normal.« Zur Normalität unserer Zeit gehört im Osten Deutschlands die Religionslosigkeit.
Wie kann man den Durst nach Gott wecken? Einen Esel, so sagt das Sprichwort, kann man nicht zum Trinken zwingen. Soll man es mit Salz versuchen? Das wäre Tierquälerei. Ein Esel spürt erst Durst, wenn ein anderer Esel neben ihm genüsslich aus einem Eimer Wasser trinkt.
So ist es wohl auch bei uns Menschen. Wenn wir nicht selbst Durst nach dem lebendigen Wasser spüren und genüsslich trinken, können wir auch schlecht andere dazu einladen. Unser Leben ist es, an dem die Menschen heute erkennen, was die Bibel sagt. Das soll uns ermuntern, aus der Quelle zu trinken, die sauber ist. Und vielleicht kommen vereinzelt Menschen dazu, die uns danach fragen, was wirklich Halt gibt im Leben.
Ich habe seit dem Erlebnis mit dem verunreinigten Wasser aus dem Gebirgsbach kein Wasser mehr getrunken, das nicht aus einer sauberen Quelle kommt.
Predigttext nach dem Entwurf der revidierten Perikopenordnung
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