Scheidende Domdechantin in Merseburg und Naumburg
"Ich freue mich, dass der Altar so ökumenisch geworden ist"

Domdechantin Karin von Welck (Mitte) bei der Wiederaufstellung des Cranach-Triegel-Altars am 2. Dezember 2023 im Naumburger Dom. | Foto: Foto: epd-Bild/Rico Thumser
  • Domdechantin Karin von Welck (Mitte) bei der Wiederaufstellung des Cranach-Triegel-Altars am 2. Dezember 2023 im Naumburger Dom.
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Naumburg (epd). Als erste Frau stand sie gleich zwei Domen in Sachsen-Anhalt vor: Die frühere Hamburger Kultursenatorin Karin von Welck war sechs Jahre lang Domdechantin der Vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz. Am Samstag scheidet sie altersbedingt aus dem Amt und blickt auf eine turbulente Zeit zurück. Oliver Gierens (epd) hat mit ihr gesprochen.

Warum verlassen Sie das Amt der Domdechantin? Gehen Sie freiwillig?
Ja, ich verlasse das Amt freiwillig. Ich habe schon vor einem Jahr durch das Domkapitel meinen Nachfolger wählen lassen, sodass der Übergang ruhig und gelassen durchgeführt werden konnte. Ich scheide aus, weil ich schon relativ lange Domherrin bin, und ich finde es gut, wenn man selber sagen kann: Ich möchte jetzt aufhören. Meine Amtszeit als Mitglied des Domkapitels läuft noch eine Weile und ich werde, wo ich das kann, auch weiterhin helfen. Aber ich bin nicht mehr in der Verantwortung der Dechantin.

Wer wird Ihr Nachfolger?
Professor Jörg Ulrich, er ist Theologe an der Universität Halle-Wittenberg. Im nächsten Jahr wird er emeritiert, wird dann in Bamberg wohnen und von dort aus sein Amt wahrnehmen. Ich bin froh, dass mein Nachfolger nach vielen Jahren mal wieder ein Theologe ist. Gerade in dieser schwierigen Zeit der gesellschaftlichen Umbrüche ist das wichtig. Er ist zudem ein begnadeter Prediger, und es macht Spaß, ihm zuzuhören. Ich glaube, es wird den Vereinigten Domstiftern guttun, wenn er an der Spitze des Kapitels steht.

Sie sind 2018 zur Domdechantin gewählt worden, im selben Jahr wurde der Naumburger Dom Weltkulturerbe. Was hatte diese Entscheidung für praktische Konsequenzen?
 Eine ganze Menge. Ich wurde sehr plötzlich Dechantin, weil mein Vorgänger Curt Becker unerwartet gestorben war. Er hatte mich bei seinem Amtsantritt gebeten, seine Stellvertreterin zu werden. Ich bin dann gebeten worden, mich als Dechantin zur Wahl zu stellen. Es war damals eine Riesenfreude, als es wirklich so weit war, dass der Naumburger Dom Weltkulturerbe wurde. Wir haben live die Entscheidung in Doha verfolgt. Alle Glocken haben damals nach dem positiven Ergebnis in Naumburg geläutet. Danach hat sich schon eine Menge geändert. Erstens war es jetzt viel leichter, Fördermittel zu beantragen, aber wir sind auch zu bestimmten Dingen regelrecht verpflichtet worden. Zum einen errichten wir ein Welterbezentrum, das gerade in einer ehemaligen Bischofskurie gegenüber dem Dom entsteht. Und wir haben nicht mehr die alleinige Entscheidungsgewalt über das, was im Dom passiert. Da gibt es ein beratendes Gremium für die Unesco, Icomos in Paris. Von der deutschen Icomos-Kommission sind uns drei Monitore zugeteilt worden, die nicht immer unserer Meinung sind.

Eine große Kontroverse war ja die Wiederaufstellung des Cranach-Altarretabels im Westflügel des Doms, ergänzt um einen neuen Mittelteil von Michael Triegel. Haben Sie mit so großem Gegenwind gerechnet?
Das Verrückte war, dass der Gegenwind nicht von der Unesco kam. Da hatten wir erstmal den Antrag gestellt, das Retabel drei Jahre aufzustellen. Dann kamen die deutschen Icomos-Monitore zum Zuge, die das Projekt nicht gut fanden und das auch weitergegeben haben. Die Unesco hat sich aber dankenswerterweise trotzdem dazu entschlossen, die drei Jahre zu genehmigen, sodass wir das Retabel bis Mitte kommenden Jahres im Westchor zeigen können. Im Moment sind wir dabei, viele Gespräche und Verhandlungen zu führen. Wir hoffen, dass wir die Verantwortlichen in Paris überzeugen können, dass der Altar ein Zukunftsprojekt ist, und dass er wichtig für die Welterbestätte ist, die kein Museum ist, sondern ein kirchlicher Ort. Das heißt, es soll allen Besuchern vermittelt werden, dass der Dom kein Skulpturenmuseum rund um die berühmte Uta ist. Ich bin beeindruckt, dass die Besucher sich hinsetzen, nachdenken, um den Altar herumgehen und ihn auf sich wirken lassen. In der Landesverwaltung gibt es allerdings immer noch einige Skeptiker gegenüber dem Projekt. Aber wir haben durchaus auch Unterstützer im Land, wie etwa Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), der von Anfang an von dem Cranach-Triegel-Altar überzeugt war, sodass wir das Retabel unter anderem auch mit Geldern der Kulturstiftung des Landes Sachsen-Anhalt finanzieren konnten.

Seit Anfang Dezember steht der Altar wieder im Westflügel. Glauben Sie, dass das sein dauerhafter Platz sein wird?
Ich würde mich darüber sehr freuen und hoffe das. Glauben kann ich das noch nicht.

Sind die Diskussionen um einen möglichen Entzug des Welterbe-Status aus Ihrer Sicht erledigt, oder ist das noch nicht ausgestanden?
Die deutsche Icomos-Gruppe hat diesen Schritt in den Raum gestellt und später wieder zurückgenommen. Es wäre nie darum gegangen, ob der Welterbe-Titel entzogen würde oder nicht. Das Hin und Her hat die Landesverwaltung ein wenig nervös gemacht, die ja auch die anderen Weltkulturerbestätten im Land im Blick haben muss - und die womöglich künftigen Stätten. Ich war selber auch Politikerin und kann nachvollziehen, dass man da versucht, alle möglichen Schwierigkeiten auszuräumen.

Würden Sie aus heutiger Sicht dieses Projekt nochmals wagen?
Auf jeden Fall. Ich finde es so überzeugend, mich beeindruckt das Retabel nach wie vor. Ich freue mich auch, dass der Altar so ökumenisch geworden ist. Der Künstler Michael Triegel ist ja, insbesondere durch seine Begegnung mit Papst Benedikt XVI., katholisch geworden. Wir haben ihm gesagt, dass wir uns freuen würden, wenn auch Dietrich Bonhoeffer auf dem Retabel abgebildet wäre, auch um klarzumachen, dass der 1000-jährige Dom seit 500 Jahren eine protestantische Glaubensstätte ist. Das hat Michael Triegel sofort akzeptiert. Auch der katholische Magdeburger Bischof Gerhard Feige hat das Projekt zusammen mit dem evangelischen Landesbischof Friedrich Kramer mitgetragen. Ich finde sowieso, evangelische und katholische Christen müssen sich unterhaken in dieser schwierigen Zeit.

Wie wird es für die Dome in Merseburg und Naumburg und das Kollegiatstift Zeitz weitergehen, welche größeren Vorhaben stehen in den kommenden Jahren an?
Wir haben ganz viel vor. In Merseburg läuft derzeit ein Antrag, dass die „Merseburger Zaubersprüche“ in die Liste des Weltdokumentenerbes der Unesco aufgenommen werden. Auch das Drumherum würden wir gerne gestalten. Da sollte es ein Informationszentrum geben, wo man die „Zaubersprüche“ regelrecht erleben kann. Dann haben wir die schon etablierten Merseburger Orgeltage, die wir finanziell stabilisieren wollen. In Zeitz haben wir vor einigen Jahren rund um unsere Stiftsbibliothek eine Bibliotheksinitiative in Gang gesetzt, die wir ausbauen möchten.

Wir erleben gerade eine Zeit abnehmender Kirchenbindung und Religiosität. Welche Funktionen haben die Dome heute - sind sie eher Museen, Touristenattraktionen oder bleiben sie religiöse Orte?
Sie müssen aus Sicht des Domkapitels religiöse Orte bleiben. Ich spreche immer von dem „Naumburger Modell“. Wir haben eine evangelische Grundschule und einen kirchlichen Kindergarten mit vielen konfessionslosen Kindern. Da gibt es eine ganz hervorragende kirchenmusikalische Arbeit durch unseren Kirchenmusikdirektor Jan-Martin Drafehn. Es gibt ganz verschiedene Gruppen, die auch im Dom singen dürfen. Dann kommen Eltern und Großeltern mit, und manchmal lassen sich die Kinder dort taufen und konfirmieren. Ich glaube, dass die Dome nur eine Möglichkeit haben, auch in der Zukunft Förderer zu finden, wenn man schon als Jugendlicher mit diesen Gebäuden und ihrer Bedeutung vertraut gemacht wird. Wenn Freunde mich besuchen, sind die immer ganz beeindruckt, dass stets 200 bis 300 Leute zum Sonntagsgottesdienst in den Dom kommen. Ich bin unverbesserliche Optimistin und hoffe, dass das so weitergeht.

Autor:

Oliver Gierens

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