Halbzeit bei der Allianzkonferenz
Verständnis und gegenseitige Rücksichtnahme
Keine Spur von radikalen Theorien und Ansichten, zumindest nicht vom Podium aus, wie sie den Evangelikalen so oft vorgeworfen werden - so kann eine Bilanz der ersten zwei Tage der jährlichen Bibeltagung der Deutschen Evangelischen Allianz im thüringischen Bad Blankenburg lauten. Werbend um gegenseiten Respekt und um Verständnis äußerten sich etwa Steffen Kern, EKD-Synodenmitglied, und Hans-Jürgen Abromeit, Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern.
Unterschiedliche Einsichten zur Bibel aushalten
Das unterschiedliche Bibelverständnis gilt als ein Grund für Spannungen innerhalb konservativ gesinnter Christen in Landes- und Freikirchen. „Gott redet nie direkter als durch die Bibel zu uns“, sagte Steffen Kern dazu in seinem Seminar unter dem Titel „Zwischen Bibelkritik und Fundamentalismus: Wie sollen wir die Bibel verstehen?“. „Gott offenbart sich in der Geschichte. Er hat Menschen dazu gebraucht, diese Heilsereignisse zur Weitergabe an die Welt festzuhalten. Hierbei war der Heilige Geist am Werk“, sagte Kern über die Entstehung der Bibel als dem Wort Gottes. Diese Inspiration durch den Heiligen Geist geschehe jedoch auf unterschiedliche Art und Weise.
Menschen wurden als Verfasser biblischer Bücher nicht „ausgeschaltet“, sondern mit ihrer Persönlichkeit von Gott „in den Dienst“ genommen, erklärte Kern. „Die Bibel ist vertrauenswürdig und verlässlich.“ Gott gebrauche die Bibel als sein Wort. Den dreieinigen Gott bezeichnete er als „die Mitte der Schrift“. Der „Suche nach einem Kanon im Kanon“ erteilte Kern eine Absage. Dieser Versuch sei immer zum Scheitern verurteilt.
Beim Lesen der Bibel sollten Leser neben dem heilsgeschichtlichen auch den historischen und den sachlichen Kontext bedenken. „Manchmal kommen wir dann zu verschiedenen Einsichten bei klassischen Streitfragen wie etwa der Taufe, der Geistesgaben und in manchen ethischen Fragen“, sagte Kern, „aber das halten wir aus.“
Sich über verschiedene Auslegungen und theologische Fragen gegenseitig Bibelverse an den Kopf zu werfen, hält Kern für falsch. Das bringe keinen weiter. Es sei wichtig, um die Bibel zu ringen, jedoch bei diesem Ringen beieinander zu bleiben.
„Gott hält die unterschiedlichen Einsichten aus.“
Deshalb, so Kern, sollten auch Christen "manche Unterschiede auch stehen lassen und Bibeltexte nicht vorschnell harmonisieren.“ Er warnte davor, der Bibel ihr fremde Eigenschaften zuzuschreiben. Kern nannte als Beispiel die „Irrtumslosigkeit in jeder Hinsicht“. Christen glaubten nicht an die Bibel, sondern aufgrund der Bibel an Jesus Christus. „Wir vertrauen der Bibel als Gottes Wort an uns und sprechen den Menschen Gottes Wort zu – nicht im Namen der Wissenschaftlichkeit, nicht im Namen unseres jeweiligen Schriftverständnisses, sondern im Namen Jesu Christi“, sagte Kern.
Christen sollen für eine Lösung des Nahost-Konfliktes beten
Eine weitere Thematik, die evangelikale Gemüter oft erhitzt, sind die Dikussionen um die Situation in Israel. So hatte Bischof Hans-Jürgen Abromeit eine nicht ganz einfache Aufgabe mit seinem Seminar "Zwei Völker - ein Land. Eine biblische Vision für Frieden zwischen Israel und Palästina" zu bewältigen. Als ehemaliger Vikar der Erlöserkirche in Jerusalem beschäftigt er sich seit Jahren mit der Thematik und versuchte vor allem für historische Hintergründe und sich hartnäckig haltende Propaganda beiderseits zu sensibilisieren.
Als Deutsche stünden wir nicht als neutrale Beobachter am Rande zweier Konfliktparteien in dem Land, sagte Abromeit. „Wir müssen uns klarmachen, dass in vielerlei Hinsicht wir als Deutsche - als Europäer insgesamt auch - aber vor allen Dingen als Deutsche, in den Konflikt verwoben sind.“ Und weiter: „Ausgehend von der Verfolgung der Juden in Europa - in besonderer Weise durch die Nationalsozialisten in den Jahren 1933 bis 1945 – hat der Israel Palästina-Konflikt auf unseren Straßen hier begonnen.“ Durch die massenhafte Einwanderung von Juden nach Israel als eine Folge der Judenverfolgung, sei es viel schwieriger geworden, in dem Lande einen langsamen, gemeinsamen und geordneten Weg zu entwickeln.
Auch das Verständnis von Nation, das wir in Europa des 19. Jahrhundert entwickelt hätten, und nun im Nahen Osten wiederfänden, trage bei Israelis und Palästinensern zu dem Konflikt bei. Theodor Herzl, der große Zionist und Journalist habe mit seinem Buch „Der Judenstaat“ die Gesellschaftsmodelle des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts transportiert und darin Staat und Nation eins gesetzt. „Diese unselige Entwicklung, dass wir einen völkischen Nationalbegriff entwickelt haben, das finden wir zum Teil jetzt im Nahen Osten wieder. Sozusagen als Export aus Europa“, erklärte Abromeit.
Christen sollten betend, ratend und helfenden Verantwortung übernehmen und so zu einer Lösung dieses Konflikts beitragen.
Noch bis zum Sonntagnachmittag tagt die 124. Allianzkonferenz unter dem Thema "Hoch und Heilig" zu Bibeltexten des Hebräerbriefes. Neben den Gottesdiensten und BIbelarbbeiten werden auch zahlreiche Seminare und Workshops zu aktuellen Themen angeboten.
Weitere Informationen hier: Allianzkonferenz 2019
Autor:Mirjam Petermann |
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