Porträt
Retterin alter Bibeln
Buchbinderin Sylvia Juhl restauriert Altes und kreiert Neues
Am Anfang steht das Wort, am Ende die Buchbinderei. Sie fügt die Seiten zusammen und stellt den Einband her. Sie macht das Buch haltbar im wahrsten Sinne des Wortes und gibt ihm ein Gesicht. Ein altes Handwerk, das auch im digitalen Zeitalter offenbar immer noch gefragt ist. Oder vielleicht wieder?
Buchbindemeisterin Sylvia Juhl aus Salzwedel jedenfalls hat viel zu tun.
Privatleute bringen ihr Familienbibeln, Gesangbücher oder Rezeptsammlungen zum Reparieren oder um Initialen auf den Einband prägen zu lassen. Archive und Bibliotheken vertrauen ihr alte Bücher an. »Hier wird gerettet, was sich retten lässt. Alle Fragmente vom Einband werden auf Wunsch wieder verwendet. Was fehlt, wird ergänzt, bis hin zum neuen Buchtitel«, berichtet die 57-Jährige aus ihrem Arbeitsalltag.
Sie bindet auch Zeitungen oder Abschlussarbeiten, kaschiert Landkarten, Plakate und Fotos und baut alles, was das Herz begehrt: Kästen, Sammelboxen, Poesiealben, Schmuckkassetten, Mappen, Fotoalben, Gästebücher, Schreibtischgarnituren – aus Pappe, Papier, Gewebe oder Leder. Gelernt hat Sylvia Juhl ihr Handwerk bei
Maria Backmann in ihrer Heimatstadt Salzwedel. Die Werkstatt gegenüber ihrer Schule weckte ihr Interesse, und nach zwei Wochen Ferienarbeit war der Ausbildungsvertrag besiegelt. Auf die Lehre folgten einige Arbeitsjahre als Gesellin und dann als Magazinverwalterin im örtlichen Danneil-Museum, bevor sich Sylvia Juhl 1987 in Salzwedel selbstständig machte. In Leipzig absolvierte sie die Ausbildung zur Meisterin im Buchbindehandwerk.
Mehr als 30 Jahre lang führt Sylvia Juhl nun ihr eigenes Unternehmen und hat niemals bereut, die Buchbinderei gelernt zu haben. »Dieser Beruf bietet mir jeden Tag etwas Neues. Das ist wichtig, denn ich werde ungeduldig bei Wiederholungen«, sagt sie und zeigt ihr Handwerkszeug: Falzbein, Schere und Heißleim. Stockpresse, Prägepresse, Pappschere und Nutmaschine.
Seit 2004 pendelt sie aus familiären Gründen zwischen ihrer Werkstatt in einem denkmalgeschützten Haus in der Altmark und dem zweiten Firmensitz in Neudorf in der Uckermark. Dort ist sie auch vermehrt künstlerisch tätig. Für eine Luther-Ausstellung der Um-Kunst-Gruppe in Angermünde hat sie im vorigen Jahr eine Ablass-Kiste aus Fundstücken gebaut – zur Erinnerung an einen der Gründe für den Thesen-Anschlag des Reformators. Alte Kirchen und alles, was man darin findet, sind für Sylvia Juhl vor allem auch Zeugen einer Zeit, in denen die Arbeitsbedingungen der Menschen anders waren als heute – im positiven wie im negativen Sinn. Etwa ein Zehntel ihrer Aufträge haben einen kirchlichen Bezug. Selbst nicht religiös, steht sie der Religion jedoch offen gegenüber.
(Handwerkskammer Magdeburg/G+H) Im Reformationsjahr stellte die Handwerkskammer Magdeburg Handwerker vor, die in, an und für Kirchen arbeiten.
Autor:Online-Redaktion |
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