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Klartext
Was einen Seelsorger umtreibt

Foto: epd-bild/Angelika Warmuth

Veränderungen brauchen Visionen, meint Ingolf Scheibe-Winterberg.
Beatrix Heinrichs sprach mit ihm über paradiesische Kirchenregionen und überlastete Pfarrer.

Was hat sie bewogen zu ihrem »Progamm zum Gemeindeaufbau im ländlichen Raum«, wie sie es nennen?
Scheibe-Winterberg:
Angeregt hat mich das Memorandum »Reformation in der Krise. Wider die Selbsttäuschung« von Friedrich Schorlemmer und Christian Wolff. Dazu kommt die Erfahrung, dass große Kirchspiele, meist noch mit einer Vakanzvertretung, zu Lasten seelsorgerlicher und kreativer Arbeit eines Pfarrers gehen. Es ist absurd, wenn ich zu einer Trauerfeier rede, und immer öfter der einzige bin, der den Verstorbenen nicht kennengelernt hat. »Jedes Kaff ein Pfaff« ist mehr als ein Aufschrei gegen weitere Stellenstreichungen. Es ist durchaus ernst gemeint und ich möchte, dass darüber in Kirchenleitung und Gemeinden diskutiert wird. Wie man das am Ende finanzieren soll – das wird sich dann schon finden.

Haben Sie sich mit »Jedes Kaff ein Pfaff« den eigenen Frust von der Seele geschrieben?
Scheibe-Winterberg:
Nein und Ja. Ein Gefühl von Überforderung, wie es viele andere Kollegen erleben, habe ich nicht. Ich teile mir eine Pfarrstelle mit meiner Frau. Dazu kommt, dass im Kirchenkreis Schleiz vergleichsweise paradiesische Zustände herrschen: Gemeinden mit 50 Prozent Kirchenmitgliedern und funktionierende Volkskirche machen die Arbeit attraktiv.

Also besteht kein Grund zur Klage?
Scheibe-Winterberg:
Selbst in unserem Kirchenkreis fallen Kollegen durch Überlastung aus und Vakanzen ziehen sich über Jahre hin. Was bleibt dann übrig, als »Dienst nach Vorschrift« zu machen? Und man fragt sich: Aber wollte ich nicht ursprünglich das Reich Gottes verkündigen? Ich möchte in einer »Firma« arbeiten, wo irgendwo etwas aufwärts geht und wächst, erlebe aber Rückzug und Mangelverwaltung. Was ich beklage, ist die Gefangenschaft in Sachzwängen und das Fehlen einer Vision. Die Niederschrift der Idee an einem Abend vor dem Reformationsfest hat mir wieder Motivation verliehen: Ja, so kann es weitergehen. So kann dieser Beruf wieder Freude machen.

Worin liegt ihrer Meinung nach der Schlüssel für einen erfolgreichen Gemeindeaufbau?
Scheibe-Winterberg:
Es sind die persönlichen Beziehungen: Der Pfarrer kennt seine Gemeindeglieder und diese ihren Pfarrer. »Jedes Kaff ein Pfaff« ist ein Konzept für den ländlichen Raum. Städte müssen ihr eigenes finden, mehrere Zielgruppen bedienen, sollen experimentieren und alternative Gottesdienstformen anbieten. Auf dem Land aber »muss ein jeglich Dorf und Flecken einen eigenen Pfarrer haben«, wie Luther sagt.

Ingolf Scheibe-Winterberg (48) stammt aus einer Pfarrerfamilie im Kreis Ilmenau. Nach dem Theologiestudium in Jena war er zehn Jahre in Saalfeld tätig. Seit 2006 ist er Pfarrer in Schleiz.

Autor:

Beatrix Heinrichs

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