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Hirsch
Geburtstagsgabe (20)

Anlässlich des nun schon geraume Zeit zurückliegenden 540. Geburtstags Martin Luthers reicht auch der stolze Hirsch mit pünktlicher Verspätung seinen Brief ein ...

Friedrich der Weise, Kurfürst zur Zeit Luthers, lud eines Tages angesichts des für die Fürsten gut gelaufenen Reichstags den Reformator Martin überschwänglich zur Hirschjagd ein. Das war eine große Ehrenbezeugung dem entsprungenen Mönch gegenüber, der zwar einen akademischen Titel erworben, aber mit der Klosterverleugnung ja trotzdem seine Standesehre verraten hatte. Nebenbei: So etwas tut man nicht – bei uns Hirschen wäre solche Ehrlosigkeit absolut unmöglich. Ich will Euch, Ihr Menschen, einmal die Geschichte von der Jagd zum Besten geben. Aus ihr erhellt, warum wir Hirsche den Luther seiner Ehrlosigkeit trotzdem ehren:

Luther schlug seinem Fürsten das generöse Jagdangebot nämlich aus. Und deshalb ist der Reformator über alle fern liegenden Zeiten hinweg mein Freund. Die Story (sie soll gleich erzählt werden) hat sich bei uns Hirschen im Gedächtnis gehalten und spricht sich jedes Jahr erneut herum, wenn die Büchsen der Jäger im Wald knallen und das lästig atonale Halali zusammen mit dem Hundegekläff landauf landab zu unserem größten Verdruss erklingt. Wir gucken dann sehr aufmerksam, ob der Luther dieses Mal etwa mit dabei ist? Und er ist wirklich immer n i c h t dabei!
Das rechnen wir ihm hoch an. Weil, – er lässt uns edlen Tieren gegenüber Gnade walten. Die meisten Jäger haben ja von Hubertus keine Ahnung mehr, seit die Protestanten damals, es war dies bereits im Jahre 1522, alle Heiligen in den Kot der Gassen gestoßen haben.

Von diesen Ereignissen aus führt eine elende Schleifspur bis hin zur jagdbesessenen Kommunistenbande um Ulbricht und Honecker, welche in der Schorfheide den armen Tieren nachgesetzt und uns mit Kalaschnikows zu Scharen abgeknallt haben. Wir Hirsche aber sind doch heilig – bevor die Christen sich in unseren Gegenden breitgemacht haben, indem Bonifatius rücksichtslos die Eichen fällte, waren wir die Totemtiere des Cernunnos, des Geweihgottes überall im Keltenland.
Luther wusste das übrigens auch. Und zwar eine der Hexen, die er dann aus mir unverständlichen Gründen mit hat verbrennen geheißen, erzählte ihm von diesen und solchen Zusammenhängen einiges. Sie hat ihn also unvorsichtig in´s Vertrauen gezogen – das ist ihr dann schlecht bekommen. Das aber nur nebenbei. Er ließ die Hexe brennen, aber jagte uns dann, dem Rat des in der Flamme abgetanen Weibes entsprechend, doch nicht nach. So widersprüchlich sind diese Menschen. Jetzt aber, die Krähe hat es uns verraten, folgendermaßen vollzog sich der Dialog Friedrichs des Weisen mit Luther dem Reformator oben im Wittenberger Schloss:

F.d.W.: Luther, wir haben ihn herkommen lassen, um ihm eine Offerte zu machen. Er gehe mit uns auf die Jagd nach Hirschen im Kropstädter Forst.

Luther: Zu gnädig, gütige Majestät.

F.d.W.: Was redet er da. Gnade schenkt allein Gott der Herr. Hat er davon nicht selber genug geschrieben?

Luther: Mit Gottes Hülf und Beistand, gewiss. Aber ist doch der Fürsten Werk und Arbeit nur Abbildnis des göttlichen Handelns allhier auf Erden.

F.d.W.: Hör er doch auf zu schleimen und uns zu belehren. Von den zwei Reichen wissen wir mehr, als Er sich vorstellen kann.

Luther: Mein Fürst, nicht wollte ich im Geringsten …

F.d.W.: Also morgen früh an der Fronleichnamskapelle. Bring er seine Donnerflinte mit und ein Quantum Pulvers, damit wir es recht krachen lassen können. Und lass er uns nicht warten. Die laudes muss er wohl drangeben, wenn er jagen will. Beten kann er dann mit uns im Forst.

Luther: Aber ich will ja gar nicht jagen …

F.d.W.: Was will er nicht? Er wagt es, vor meinem fürstlichen Wunsch abzustehen? Luther … gedenkt, wie wir Euch auf der Wartburg verbargen und Eure Mönchshaut retteten. Die von den Askaniern sind auch da und wir wollen Ihnen meinen Ketzer - also Euch selbst - vorführen. So haben wir es verlautbaren lassen. Luther, er muss mit.

Luther: Habe so arge Leibschmerzen, habe auch die Kollitis und Diarröh noch dazu. Kopfschmerz und Gicht, das Wetter itzt im November macht mir arg zu schaffen. Ich bitte Euch, gnädigster Fürst, lasset mich in Frieden mit der Jagd.

F.d.W.: Sei er ein Kerl, ich will ihn doch persönlich den Askaniern einmal vorstellen können. Wie steh ich sonst da? Luther, mach er mir ja keinen Ärger.

Luther: Wir Geistlichen sollen nichts töten, was herumspringt.

F.d.W.: Aber wohl fressen sollt ihr es, ja?

Luther: Wenn fürstliche Gnaden es uns erlauben, dann ist es wohl …

F.d.W.: Papperlapapp. Luther, er enttäuscht uns. Soviel Verdienst hat er noch nicht angehäuft bei uns, dass er leichtsinnig fürstliche Jagdofferten ausschlagen könnte.

Luther: Ihr ängstigt Euren Diener sehr …

F.d.W.: Zu Recht, zu Recht, Luther. Gehe er uns für heute aus den Augen. Und schaffe er wenigstens eine Epistel für die Jagd, die dann mein Stalljunge vorlesen wird. Draußen, wo die Büchse knallt. Schreib er aber ja leserlich! Und nun – weg!

Luther: Ein armer kranker Mann verneigt sich! Mit Dank.

F.d.W.: Ach was … Fort, aus den Augen gehe er uns!

Solches also geschwätzten uns die Krähen im Kropstädter Forst zu. Es war so - der Luther hatte keine Lust, auf die Jagd zu gehen. Das ist der Beweis dafür, dass Luther uns nicht schadete. Die Predigt, die er geschrieben hat, wurde übrigens nicht verlesen. Sie handelte nämlich von Aktaion und Diana. Und diese sattsam bekannte Geschichte, die für den Jäger Aktaion enorm tödlich endet, hat Luther auf den Heiligen Hubertus und in Folge auf den Kurfürsten selber gemünzt. Luther kann froh sein, dass der Stalljunge nicht hat vorlesen dürfen, denn der Truchsess und der Seneschall wollten den Text vorher schon mal vorsichtshalber in Augenschein genommen haben. Als das geschehen, warfen sie die Epistel ganz schnell weg. Wir aber haben die Zettel neben einem Ameisenhaufen gefunden. Dann mit Hilfe der Krähen und Raben entziffert. Einmal, bei passender Gelegenheit, werden wir alles offenbaren. Hier jedoch nur den ersten Teil. Das muss für heute reichen

Cernunnos - der Gebieter des Waldes

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andere Tierbriefe hier

Autor:

Matthias Schollmeyer

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