Anzeige

ERINNERN Wie alles kam
Volkstrauertag 2022

Beweinung des Patroklos durch Achilles 
(Kupferstich von Tommaso Piroli / 1752 – 1824)
  • Beweinung des Patroklos durch Achilles
    (Kupferstich von Tommaso Piroli / 1752 – 1824)
  • hochgeladen von Matthias Schollmeyer

 „Göttin, besinge den Zorn des Achilleus.
 Unzählig Leiden bewirkt er,
 und sandte die Seelen der Helden  
 zum finsteren Hades hinunter.
 Die Knochen blieben den Hunden,
 die Leiber den Vögeln zum Fraße.“

Das ist der Beginn von Homers Ilias. Europa und die Trojaner stehen sich feindlich gegenüber - der Grund war lächerlich. Es ging nämlich nur um eine Frau - wenn auch um die schönste. Millionen Gymnasiasten haben mit der Lektüre des trojanischen Krieges ihre Zeit zubringen müssen. Am Anfang der sogenannten klassischen (oder humanistischen!) Bildung stand eben auch lange eine aus der Welt des Zorns gesandte Kriegs-Phantasie. Erst brennen die Herzen, dann die Städte. Danach irren die Heimatlosgewordenen in den Trümmern umher. Man hat gesagt, der Trojanische Krieg sei die tiefgründigste Symbolgeschichte einer genetischen  Erz-Feindschaft zwischen Asien (Troja) und Europa (Griechenland/Sparta).

Die Griechen siegen schließlich - freilich nur durch List vermittels erzwungenen Verrats. Rückzug vortäuschend verbergen sie ihre Besten in einem als Opfergeschenk getarnten hölzernen Standbild. Die Trojaner holen sich als fromme Leute das Ding in ihre Mauern. Nachts kriechen die Krieger aus der Figur, öffnen das Stadttor und zerstören die Stadt gründlichst.

Der Zorn vom Beginn des großen Epos’ endet am Ende in der Wut der Sieger. Mütterchen Natur hat es so eingerichtet, dass Wut, Hass und Zorn am Anfang immer mit größerer Macht ausgestattet sind als der kleine göttliche Bastard Liebe. Hass, Zorn und Wut funktionieren von selbst. Die Liebe braucht Unterstützung, denn sie hat keinen Grund im Vegetativen. 

Als man das bemerkt zu haben glaubte, nahm man die Ilias immer häufiger aus den Lehrplänen höherer Schulen. Man entsann sich wieder mehr des ganz anderen Helden. Nicht der mit Rüstung, Schwert und Helm ist gemeint. Der Gekreuzigte mit der Dornenkrone singt seine milde Botschaft in den Kirchen - sofern die nicht die Waffen um ein paar Ecken herum doch wieder segnen (müssen). Das Lied Jesu ist ganz anders als der Gesang vom Zorn. Der Volkstrauertag gibt Gelegenheit dazu, allen Opfern von Hass und Gewalt jene Ehre zu geben, die ihnen zusteht. Ehre geben wir dadurch, dass wir die Gemeuchelten nicht vergessen und ihnen einen Platz in unseren Herzen einräumen. Und für sie bitten.

Autor:

Matthias Schollmeyer

Webseite von Matthias Schollmeyer
following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

17 folgen diesem Profil

1 Kommentar

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Anzeige

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.