Leberechts Gold - quasi mundus non daretur
Leberecht Gottlieb (Teil 110)
110. Kapitel, in welchem wir uns mit dem chinesischen Seidenhändler Wang Li Zhang, dem Rosenzüchter Pinchas und dem Altgeistlichen i.R. Leberecht Gottlieb in bequemen Fauteuils niederlassen und den Westernfilm McKenna's Gold sehen - und dabei tiefgreifende Überlegungen eingeleitet werden ...
„Ja”, meinte Leberecht und bestätigte damit die Überlegungen seines neuen kabbalistischen Freundes Pinchas. „Die Gefahr ist riesengroß. Wahre Mysterium dürfen nie bis zu den Hirnen falscher Leute geraten. Weil die Kraft der Zahlen und Zeichen in ihren Händen zu mächtigen Werkzeugen werden würden!”
Pinchas erklärte noch ein wenig hin und her, und ergötzte sich an seinen eigenen Überlegungen, wie tatsächlich jene mit hebräischen Buchstaben versehenen Goldfolien das Wachstum der einander fremden Hölzer zu harmonisieren und diese Scharnierfunktion jeweils unterschiedliche Baum-Sinne (er sagte tatsächlich Baum-Sinne) miteinander zu vereinen mächtig wäre, so dass im Endeffekt trotz verschiedener genetischer Codierung das Rosenholz mit dem Maulbeerholz zusammenwüchse. Leberecht hörte nur mit halbem Ohr zu und schlenderte durch das Gewächshaus - die Zeit schien ihm stehen geblieben zu sein, obwohl die Wirkung der Kekse bereits nachzulassen begann. Der Geistliche fragte sich, wo eigentlich der Chinese Wang Li Zhang hingekommen sei - am Abend stellte sich dann aber heraus, dass der auf eigene Faust die Jerusalemer Altstadt erkundet hatte. Und - Leberecht erschrak plötzlich, denn heute war jener 14. Oktober, am dem er ja seine magische Operation hatte vollführen wollen, um die Zusammensetzung des Dresdener Sachsenparlaments in seinem Sinne (und - zugegeben - auch im Sinne Karl Mays!) zu beeinflussen und das Ruder noch einmal herum zu reißen. Da setzte er sich wiederum an das Tischchen des Herrn Pinchas, welcher in einem Buche las, das den Titel Sefer Jezira trug und beichtete dem Buchstabenfreund seine politische Nachlässigkeit und Versäumnisse. Der aber winkte nur lässig ab und meinte leichthin: „Manchmal ist es besser nicht zu handeln, als mit Gewalt durch eigene Kraft etwas in Gang zu setzen, was man sich wünscht. Es könnte nämlich sein, dass solche Operationen auf einen selber zurückfielen. Etwa dem Staube ähnlich, den man gegen den Wind geschleudert, dieser aber einem dann nur in das eigene Gesicht fährt! Alles schon selbst erlebt!” Leberecht nickte - drehte gedankenverloren an den Knöpfen eines uralten Rundfunkempfängers aus der Zeit Benito Mussolinis herum - bis aus dem Pfeifen und Kratzen diverser Kurzwellensender sich der alte Deutschlandfunk herausfiltern ließ, der dem Emeritus neben manchen schlimmen Dingen aus dem Heiligen Lande auch das heutige Versagen des Iron Doms mitteilte. Und wie die Christdemokraten Sachsens gerade mal dabei waren, mit diversen linken Splitterparteien eine Koalition zu schmieden, welche ab den ersten Wochen des Novembers mehrheitsfähig sein sollte.
Da dachte er kopfschüttelnd bei sich selbst, Dietrich Bonhoeffer hätte damals wie nebenbei gemeint, man müsse in dieser Welt trotzdem leben, auch wenn es Gott nicht gäbe. Heute dagegen ginge es um viel mehr: Es käme wohl darauf an, in der Welt so zu leben, als ob es diese Welt gar nicht - Gott dagegen aber tatsächlich und wirklich gäbe. „Das ist übrigens eine schöne Idee!” meinte er bei sich selbst und beschloss, dieselbe aufzuschreiben, ehe sie wegen der genossenen Plätzchen nicht noch verloren ginge …
Bei der Suche nach einem Stift und Papierzetteln, fiel Leberecht eine Zeitung in’s Auge, auf deren aufgeschlagenen Seite in italienischer Sprache das abendliche Fernsehprogramm abgedruckt war. Der Film „McKenna’s Gold” war für einundzwanzig Uhr angezeigt. „Ja” sagte Pinchas, „den schauen wir uns heute an. Ich bin schon ganz erfreut. Italienisch mit englischen Untertiteln!” Also war der Abend gesichert. Bald fand sich auch der Seidenhändler aus dem Lande der Chinesen wieder ein, man speiste dies und das und ließ sich dann in einer Abseite der Gärtnerei, die besser möbliert war als alles andere, was man sonst hier bisher gesehen hatte, in weiche Fauteuils fallen - um jenes berühmten Films zu genießen, in dem sich alles um das leidige Gold drehen sollte, um fehlgeleitete Frauenliebe und daraus folgenden schrecklichen Tod, Revolverbetrug, Gewehrfeuer, Indianerblut, Rache und Gerechtigkeit, Wüste und Happy Ende - die vielen Pferde nicht zu vergessen. Bei der Betrachtung geschah nun Folgendes.
Wir wollen es aber zuvor nicht versäumt haben, den geneigten treuen Leser darauf hinzuweisen, wie es jetzt von großer Nützlichkeit wäre, wenn man den Film McKenna’s Gold selber kennen würde. Zumindest diese hier zu beobachtende kurze Sequenz auf YouTube - allerdings eine der Schlüsselszenen, auf die es wirklich ankommt, wenn man in Folge jenes Gespräch verstehen will, welches der Chinese, Leberecht und Pinchas n a c h Beendigung der Flimmerstunde führen werden.
Kaum hatte der Film begonnen, richtete der Chinese sich aus seinem Sessel empor und wies auf die Figur des alten Indianerhäuptlings Prairie Dog - gespielt von Eduardo Ciannelli. Wang Li Zhang rief erregt: „Dieser Häuptlingsmann - das seid ja Ihr, lieber Herr Pfarrer Gottlieb!” Und tatsächlich. Jener alte Greis, der da auf seinem Pferd durch die Wüste ritt, über sich bereits den wartenden Geier kreisend, er sah 1996 im Jahr der Produktion des Films so aus, wie Leberecht jetzt aussah - sie mochten fast das gleiche Alter haben. Etwa bei 85 Jahren. Die Ähnlichkeit war tatsächlich verblüffend. Nun - wir wollen hier nicht auf den leidigen Filmfehler hinweisen, der darin besteht, dass der Rote Mann in schneller Folge von seinem Pferde aus einige Schüsse abfeuert, obwohl er nur einen alten Einzellader Marke Trapdoor im Kaliber .45/70 Government in den Händen hält und der Ladevorgang dieser Waffe wesentlich länger dauert, als der Film es vorgeben zu können meint. Nebensache! Nein - es geht um die Ähnlichkeit dieses Indianers, der am Anfang des Films auftaucht, in Folge von Gregory Peck erschossen wird und zum Schrecken der Goldsucher als eingewickelte Leiche auf dem Rücken seines Pintogauls ab und zu in der Prärie auftaucht. Ganz zum Schluss dann noch einmal als Geisterbild erscheint, als nämlich das Gold verloren geht, weil die einstürzenden Berge es für alle Zeit verschütten. Ja - da geistert das Bild von Prairie Dog noch einmal durch den Raum. Darauf wollten wir den unkundigen Leser hingewiesen haben. Der gesamte Film wird nämlich von der Prophezeiung des alten roten Mannes getragen, welcher so aussieht wie Leberecht. Die Ähnlichkeit fiel den drei Kinoleuten - und auch uns - als etwas Erstaunliches auf. Warum haben der alte Sachsengeistliche und Eduardo Ciannelli, der den Häuptling Prairie Dog vor 55 Jahren gegeben hat, ähnliche Gesichter? Und was ist mit dem Fluch, der auf dem Gold liegt und was ist mit der Schatzkarte, welche Prärie Dog bei sich trug, die McKenna verbrannte? Aber die er beide - Fluch und Karte - in seinem Gedanken mit sich getragen hat, so dass er von den Bösen am Leben gelassen wurde, weil er als Guter der Einzige war, der wusste wo der Cañon del Oro liegt und zu finden ist? Davon soll morgen die Rede sein. Wir wollen dem treuen Leser und Begleitern Leberecht Gottliebs nämlich Gelegenheit geben, sich vorher dem Film McKenna’s Gold in eigener Person zu widmen … Man muss diesen Streifen einfach gesehen haben.
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