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zum 28. Januar
Thomas von Aquin - Kirchenlehrer

Der 28. Januar ist der Tag des großen Aquinaten. Thomas heißt er und kam aus der Stadt Aquino in der Region Latium. Sein Leben hat er dem Nachdenken über GOTT widmen wollen. Nachdenken - bis das Denken Gebet wird. Thomas von Aquin trägt denselben Namen wie jener skeptische Jünger, der sich anhand der Wunden Jesu von der Realität ihres Trägers überzeugen wollte - und dann auch hat überzeugen lassen müssen. Zwar hat der Aquinate am Schluss seines Lebens gesagt: „Verbrennt alles, was ich geschrieben habe, es erscheint mir wie leeres Stroh!” Aber, weil er sehr viel geschrieben hatte, und die Verantwortlichen ein weniger hohes Einsehen hatten, als der Autor es besaß, blieb die Summa Theologica (Gott sei Dank) erhalten. Für Jahrhunderte galt und gilt sie als profundeste und disziplinierteste Versammlung aristotelisch verantworteter Gedanken auf dem Gebiet der theophilosophischen Fachliteratur.

Thomas hat also über Gott nachgedacht und versucht, dessen Wesen in Richtung auf den Begriff einer Art "Existenz" Gottes in Beziehung auf das, was wir Welt nennen, gründlich zu beschreiben.

Als kleines Traktat bzw. minimalistische Hommage diene nun die folgende Aufstellung aller jener Denkmöglichkeiten Gottes, welche in der deutschen Sprache das Verbum FINDEN bereitstellt. Aber eins muss vorher noch gebeichtet werden: Thomas hat im Januar keineswegs Geburtstag. Sondern der 28 ist jener Tag, an dem man die Gebeine des Gelehrten im Jahr 1369 nach Toulouse überführt hat. Die Gebeine - also die Skelettstruktur des Leibes. Sozusagen die „Grammatik der physischen Gestalt.”
Um Grammatik soll es jetzt auch gehen. Um die Grammatik des Denkens im Blick auf das Problem, Gott aus dem reinen Denken heraus zu begründen. Reines Denken wiederum ist stumme Sprache. Und Sprache ist nichts anderes als lautes Denken. Es hatte die Welt der alteuropäischen Gelehrsamkeit seit Äonen in einerlei Zunge - griechisch und lateinisch gedacht und geschrieben. Die beiden edlen heute zu Unrecht als tote Sprachen verunglimpften Wunderwerke der Sprache haben verschiedene Genua. Aktiv, Passiv und eine Mischform von beidem - eine mediale Variante. Kombiniert mit den verschiedenen Zeitformen ergeben sich im Blick auf das Wort FINDEN/ERFINDEN interessante Möglichkeiten:

AKTIV
1 ich habe erfunden
2 ich hatte erfunden
3 ich erfand
4 ich erfinde
5 ich werde erfinden
6 ich werde erfunden haben

PASSIV
1 ich bin erfunden worden
2 ich war erfunden worden
3ich wurde erfunden
4 ich werde erfunden
5 ich werde erfunden werden
6 ich werde erfunden worden sein

MEDIUM
1 ich ließ mich erfinden
2 ich habe mich erfinden lassen
3 ich hatte mich erfinden lassen
4 ich ließ mich erfunden sein lassen
5 ich werde mich erfinden lassen
6 ich werde mich haben erfunden sein lassen

7 Und es wird sein, dass ich mich einmal werde haben von Euch erfunden sein lassen. Ich ließ mich durch Euer Erfinden finden. 

Nummero 7 ist die Variante, der im Folgenden nachgegangen werden soll. Das Verbum FINDEN kommt dabei den inhaltlichen Umständen des Gottesthemas besonders nahe. Denn einmal ist in der Schrift selbst bezeugt, dass Gott sich finden lassen will. „Ihr werdet mich suchen und finden. Denn so ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen, spricht der HERR“ Jeremia 29,13f. Und auch „Suchet, so werdet ihr finden!“ (Mt 7,7 und Lk 11,9). Ferner die Frauen, die den Toten suchen - und den Lebendigen finden - bzw. er sich immer wieder einmal auffinden lässt. (Lukas 24,15). Und hat nicht auch Gott selbst vermittels seines Wortes die Welt aus dem Nichts heraus erfunden? (Genesis 1,1f). Gewiss - so ist es.

Im Namen Gottes, des hier und da auch als Weltformel bezeichneten Tetragramms (יהוה), finden alle Tautologien ihr Heim und ihren Reim. Buber hat den besonderen am Feuerstrauch offenbarten Gottesnamen übersetzt mit: ICH WERDE SEIN, ALS DER ICH MICH ERWEISEN WERDE. Das ist wahrscheinlich auch bisher die beste Übersetzung gewesen, die es für die deutsche Zunge gegeben hat. Sie ist philosophisch aussagefähig - und zugleich noch mit dem Alltagsverstand nahezu greifbar hinsichtlich dessen, was damit gemeint sein soll. Da nun aber jeder auf der Höhe der abendländischen Diskussion stehende Gottesbegriff zugleich mit seiner Ausrufung eingestehen muss, eine selbstgemachte Fiktion darzustellen - also, dass das, was wir mit Gott meinen, immer „nur“ eine Machung (Fiktion) des menschlichen Geistes bedeuten wird, ist es ratsam, diesen fatalen Umstand seinerseits mit in den Gottesbegriff hineinzunehmen. Und zwar so, dass dieser Umstand seine Fatalität verliert - und sich dadurch zu einem Würdemerkmal Gottes verwandelt. Insofern nun auch das SEIN Gottes (wie alle Erkenntnisobjekte) immer eine Innenseite wie auch eine Außenseite hat, spielt der Erkenntnisvorgang des Suchens und Findens eine nicht zu vernachlässigende Rolle.

Zuerst ein paar Überlegungen zum Außenverhältnis. Vom Suchenden wird Gott nur deshalb aufgefunden werden können, weil und insofern Gott sich finden lässt. Man wird weiter behaupten können, dass Gott nur deshalb gefunden werden kann, indem er sich er-finden lässt und erfinden ließ. Finden und Erfinden sind vom Inhalt her weniger scharf zu trennen, als der schnelle Kopf sich einbildet, dass eine scharfe Unterscheidung möglich sein müsste. Der Protest dagegen, dass Gott „nur” erfunden worden sein soll, hängt an der Partikel „nur”, die von all denen unbewusst mitgedacht wird, die noch nie etwas erfunden haben. Denn nur das lässt sich erfinden, was sich finden lässt - also latent da ist. Nicht der Mensch erfindet Gott einfach so, sondern der Mensch erfindet Gott nur deshalb, weil Gott sich als solch Erfunden-Werden-Könnender erst überhaupt finden (und erfinden) lassen wollte, und damit auch dieses Erfinden z u l ä s s t. Auf Letzteres kommt es an. Er allein lässt es zu, dass der Mensch ihn, Gott, erfindet!

Jetzt zum Innenverhältnis. In einer Art intrinsischem Selbstgespräch vergewissert sich Gott vermittels des Erfundenwerdens durch sein Ebenbild (den Menschen) bei sich selbst über sich selbst. Und sagte beifällig triumphierend beiseite (nur einige aristotelisch kompetentere Engel dürften es vielleicht belauscht haben): „Habe ich toll hinbekommen. Von der menschlichen Erkenntnisoptik her betrachtet bin ich für diese Wesen erkenntnismäßig noch gar nicht da. Quasi - es gibt für die eigentlich tatsächlich keinen Gott. Aber wenn sie mich einmal werden erfunden haben, dann hätten sie mich endlich als den gefunden, als der ich mich schon immer suchen ließ - nämlich als ein für sie mehr oder weniger Nichtexistenter. Und habe mich also deshalb - und nur! deshalb - von denen sogar erfinden lassen!“ In eine Formel gebracht, die die Buber/Rosenzweigsche ehrfürchtig grüßt, hieße das für die Zeit vor dem Dornbusch (Exodus 3) etwa so:

Er aber sprach: „… für mich selbst bin ich schon immer der, als welcher ich mich von Menschen einst werde haben erfunden sein lassen. Aber für Euch Menschen bin ich jetzt (noch) gar nicht …“

Für den liturgischen Alltagsgebrauch ist diese Formel natürlich für die meisten nicht ohne Schwierigkeiten brauchbar. Da sagen wir weiter: „der HERR, der EWIGE, Adonai Elohenu, ER, hochgelobt sei IHR Name“ und so weiter. Aber zur Verdeutlichung dessen, was die abendländische Gottes-Namen-Deute-Tradition für Tiefen-Bohrungen und damit Höhen-Flüge veranstaltet hat, mag der heutige bescheidene Beitrag zur Translation der Überreste des heiligen Thomas von Aquin vielleicht doch etwas beigetragen haben und nicht ganz undienlich sein. Vorstellbar wäre ein Gebetsruf etwa der Art: "Unaussprechlicher, wir danken Dir darum, dass Du uns den Geist der Erkenntnis hast schenken wollen und ihm deinen heiligen Namen begegnen ließest!" Aber es ist sehr dünner Äther, in den wir uns da mit solchen Wortgetümen aufzuschwingen versuchen.

Die Religionen versuchen, jede auf mehr oder weniger merkwürdig geglückte Weise, dem inneren Zusammenhang der Benennung des Gottesrätsels dadurch Rechnung zu tragen, dass sie von 99 Namen reden, oder von 72 oder 1000 bzw. von keinem.

Autor:

Matthias Schollmeyer

Webseite von Matthias Schollmeyer
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