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Arbeit, Arbeit, Arbeit
zum 128. Todestag von F. Engels

Übergabe der Werkzeuge/Waffen an Adam nach dem Fall - Detail des großen Freskenzyklus' in der Kirche zu Keldby - Insel Møn (um 1450)
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  • Übergabe der Werkzeuge/Waffen an Adam nach dem Fall - Detail des großen Freskenzyklus' in der Kirche zu Keldby - Insel Møn (um 1450)
  • hochgeladen von Matthias Schollmeyer

Was eigentlich ist Arbeit - wo und in welcher Welt sind wir mental, wenn wir arbeiten? Friedrich Engels hat die Arbeit als solche zum Gegenstand seiner forschenden Überlegungen gemacht - 1860/61 zum Beispiel mit einer sehr detaillierten Untersuchung zur „Entwicklung des gezogenen Gewehrs“. Seine Schrift zu diesem speziellen Thema hat später sogenannte Erfinderschulen hervor zu bringen geholfen. Trotzdem - auch Engels musste sterben. Heute vor 128 Jahren. Seine Urne wurde auf hoher See bestattet - ohne Pfarrer. Denn mit der Kirche hatte der Freund und Unterstützer des ebenfalls hochbekannten Rabbinerenkels Karl Marx schon lange abgerechnet. Und sich damit gleichzeitig von seinem frommen Familienclan aus Wuppertal distanziert. Diese strategische Figur eigener Herkunfts- und Schicksalsbewältigung finden wir bei bedeutenden Denkern nicht selten: Emanzipation bzw. Sieg im Kampf gegen überwertige Vatergestalten scheint leichter gelingen zu wollen, wenn die heiligen Glaubenssätze der Altvorderen über Bord geworfen werden. Und auch das ist irgendwie Arbeit …

Nach Engels sind im Zuge der Vermaterialisierung von Gedanken also Werkzeuge und besonders auch Waffen „Verlängerungen der menschlichen Extremitäten“ und diese zugleich das Produkt von dem geworden, was irgendwann langsam in die Entwicklung des Tieres zum Menschen einsickert: Arbeit. Engels beschreibt das 1876 in seiner bekannten Schrift „Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen“ folgendermaßen:

„So ist die Hand nicht nur das Organ der Arbeit, sie ist auch ihr Produkt. Nur durch Arbeit, durch Anpassung an immer neue Verrichtungen, durch Vererbung der dadurch erworbenen besondern Ausbildung der Muskel, Bänder, und in längeren Zeiträumen auch der Knochen, und durch immer erneuerte Anwendung dieser vererbten Verfeinerung auf neue, stets verwickeltere Verrichtungen hat die Menschenhand jenen hohen Grad von Vollkommenheit erhalten, auf dem sie Raffaelsche Gemälde, Thorvaldsensche Statuen, Paganinische Musik hervorzaubern konnte.”

Illustriert sei dieser Zusammenhang von Hand, Arbeit und Geist mit Hilfe eines Fresko aus der Kirche im dänischen Keldby auf der Ostseeinsel Møn. Hier überreicht Gott (durch einen seiner Engel) dem Adam nach dem Sündenfall mit Gerätschaften, um die menschliche Hand für die Arbeit zu wappnen. Die beiden Dinge gehen von der Hand des Engels in die Hand des gefallenen Menschen, damit draußen in der neuen Welt - die nicht mehr das Paradies sein wird - die Bewältigung der kommenden Mühen rascher von statten gehen kann. Seitdem ist die Entwicklung der Werkzeuge zum Schaffen und Töten (bis heute zumindest) nie mehr abgerissen. Harvester und Robotertaktstraßen, Leopard II, Panzerhaubitzen 2000 und Nanotechniken vervollkommnen die Hand des Mensch gewordenen Affen in einer Weise, die zur Zeit der Entstehung jener Fresken (um 1450) noch unvorstellbar gewesen war. Ob das gut oder schlecht ist, sei hier nicht weiter untersucht.

Nach menschlichem Ermessen könnte also dem Pantokrator die Welt gleich zweimal aus dem Ruder gelaufen sein. Einmal durch die Verleihung der sogenannten Freiheit an den Menschen (die führte zum Sündenfall) und zum anderen durch das Geschenk der Werkzeuge an die Paradies-Verstoßenen (wir wissen noch nicht, wohin das Werkzeuggeschenk letztlich führen wird). Oder sollten beide in dem genialen Plan des Weltenbildners einbeschlossen Fehler als Katalysatoren für etwas fungieren, was wir nur noch nicht durchschauen können und an dem wir gedanklich noch weiter arbeiten müssten?

Die Fresken in der Keldbyer Kirche strahlen jedenfalls eine große Weisheit und eine völlig unaufgeregte Weltwahrnehmung aus. Man sieht, wie es eben ist. Und weiß, auch wenn es so bleibt, es war auch schon um 1450 bekannt. Die Menschen weinen bei der Übergabe der Gerätschaften - und bedecken ihre Scham.

Übergabe der Werkzeuge/Waffen an Adam nach dem Fall - Detail des großen Freskenzyklus' in der Kirche zu Keldby - Insel Møn (um 1450)
Übergabe der Werkzeuge/Waffen an Adam nach dem Fall - Detail des großen Freskenzyklus' in der Kirche zu Keldby - Insel Møn (um 1450)
Autor:

Matthias Schollmeyer

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