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am Tag Johannes des Täufers
24. Juni

Johannes und seine Mutter Elisabeth (Michail Maximov in „St. Marien“ Zahna)
  • Johannes und seine Mutter Elisabeth (Michail Maximov in „St. Marien“ Zahna)
  • hochgeladen von Matthias Schollmeyer

Der Sommer hat begonnen - denn die Sonne verabschiedet sich. Das ist das astronomische Grundparadoxon ihrer jährlichen Scheinzeit und immer wieder naturphilosophisch gedeutet worden. Auch das Johannesevanglium wartet mit einer eigenen Variante in dieser Hinsicht auf: „Er muss wachsen - ich aber muss abnehmen!“ (Joh 3,30). Während sich die Dauer des tagtäglichen Erscheinens der Sonne ab heute kürzer ausnehmen wird und das Verweilen der Nacht dementsprechend länger, entfaltet unser Zentralgestirn, um das die Planeten kreisen müssen, erst jetzt seine eigentliche Kraft: "Macht durch Verschwinden." Dürre und Trockenheit bewirkt die sich verabschiedende Sonne, Hitze - und als Reaktion darauf Fruchtreifung als Notwehr gegen die fiebrige Temperatur.

„Keiner hat wie Hermann den Mut, frech die Seminarordnung zu durchbrechen, den Schritt ins Freie zu wagen. Man lästert gegen die Repetenten, reimt Spottverse, aber wenn einer der Lehrer das Zimmer betritt, verstummen die meisten, machen ihren Bückling und erweisen sich als dankbargefällige Stipendiaten.“

Mit diesem Passus lässt Heimo Schwilk seine großartige Biographie über Hermann Hesse beginnen und beschreibt die Flucht eines mutigen Insassen aus dem ideologisch indoktrinärem evangelisch-theologischen Seminar des Klosters Maulbronn. Wir fragen uns - wer hat heute Mut, aus verordneten Denkblasen auszusteigen und der Verführung oder Zwang zum betreuten Denken die eigen Stirn zu bieten bzw. mit dem Finger an dieselbe zu tippen - um sich (zumindest für Augenblicke) in das Reich der Denk-Freiheit erholsam und unbeschadet abzusetzen? Denn die Gedanken müssen frei bleiben - weil, die Gedanken sind frei. Hermann Hesse ist einer dieser mutigen Männer gewesen - schon als Jüngling. Man hat ihn dafür in die Nervenheilanstalt Stetten verbracht - vulgo in’s Tollhaus gesteckt. Hesse beschreibt in neuen Ansätzen immer wieder das Leben mutiger Abenteurer - und er ist selber ein solcher immer geblieben.
Hauptsächlich von ihm nun stammen die Texte jener „Vier Letzten Lieder“, welche der greise Richard Strauss vertontet und die einen Kreis verschworener Verehrer gefunden haben. Drei dieser Lieder beschreiben die Situation des „Abschieds aus voller Kraft.“ Und sind geeignet, die sonderbare und quasireligiöse Aura des morgigen Johannestags in strahlende Feierlichkeit zu überführen. >> Hier singt es Reneé Flemming unnachahmlich <<

Nun der Tag mich müd gemacht,
Soll mein sehnliches Verlangen
Freundlich die gestirnte Nacht
Wie ein müdes Kind empfangen.

Hände, laßt von allem Tun,
Stirn, vergiß du alles Denken,
Alle meine Sinne nun
Wollen sich in Schlummer senken.

Und die Seele unbewacht
Will in freien Flügen schweben,
Um im Zauberkreis der Nacht
Tief und tausendfach zu leben.

Wer diese großartige Musik, die dem Abschiednehmen von aller Hitzigkeit - auch besonders der denkerischen - abgelauscht ist, anders verfolgen will, >> hänge hier (spätestens ab Minute 12:08) ihrer Architektur nach <<.

DerJohannestag gibt Gelegenheit zur zeitweise klugen Resignation vor dem Unabänderlichen. Weise Zurückhaltung bei Auseinandersetzungen und Einwilligung vor dem Einswerden mit der unendlichen Weltseele tut Not … So ähnlich würde Hesse seine Glasperlenspieler formulieren lassen. Morgen am 24. Juni ist dieser Tag. Johannes war ein begnadeter Prediger und Täufer. Eines hellen Tages wurde er durch seinen späteren Nachfolger - kein geringerer als Jesus selbst - abgelöst. Zugleich rückte damit auch jener Abend näher, an dem alle, die Hesses Romanfigur Siddhartha gleichen, erkennen können, was die eigentliche Aufgabe wäre ... In diesem Sinne - uns, die wir meinen, wir dürften nie und nimmer zufrieden sein: Das große LASSENLERNEN könnte zur Lösung führen.

Autor:

Matthias Schollmeyer

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