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ZUM 16. FEBRUAR 2024
AVE PHILIPPE!

Philipp Melanchthon (* 16. Februar 1497 in Bretten; † 19. April 1560 in Wittenberg)
  • Philipp Melanchthon (* 16. Februar 1497 in Bretten; † 19. April 1560 in Wittenberg)
  • hochgeladen von Matthias Schollmeyer

Wir verdanken ihm viel. Und heute hat er Geburtstag. Es ist zwar nur eine „krumme” Zahl. Aber der Mann war und ist wichtig und wird es wohl auch bleiben. Die Rede ist von Philipp Schwartzerdt, über dessen Wiege wir uns alljährlich am 16.Februar beugen - heute zum fünfhundertsiebenundzwanzigsten Male. Der kleine Philipp, der abends um halb acht das Licht der Welt erblickte, ist später ein großer Gelehrter geworden und die Reformation wäre ohne ihn gar nicht zu denken - und noch weniger zu verstehen.
Freilich, Philipp Schwartzerdt ist den Allermeisten nur in der gräzisierten Variante seines Familiennamens bekannt - als Philipp Melanchthon. Der Mann blieb klein von Gestalt, soll einen Sprachfehler gehabt haben, so dass er seinen eigenen Namen nicht korrekt aussprechen konnte. Er sagte immer „Melanthon.” Aber was soll’s … Von ihm stammt der Text der Confessio Augustana, auf den jeder lutherische Pfarrer vereidigt wird bis auf den heutigen Tag. Was Luther - seinen eigenen Erinnerungen nach - unter Leibkrämpfen und Höllenängsten nicht selten auf dem "dunklen Ort" an theologischen Ideen hervor zu bringen hatte, kalibrierte der Freund Melanchthon ihm und der gesamten Christenheit in den Loci Communes zur Sprachform, welche den Gebildeten unter den Verächtern der damaligen Kirchenrevolution dann auch grammatisch und logisch vorzeigbar gewesen ist. Ohne Melanchthon gäbe es kein Luthertum, wenn dasselbe sich dann auch nicht immer auf dem hohen Reflektionsgrad seines begabten Vordenkers hat halten können.

Melanchthons Vater war Waffenschmied und Rüstmeister beim Pfälzer Kurfürsten Philipp dem Aufrichtigen. Dem Großvater verdankt der Knabe frühes Lateinstudium und spätere Begabung für die Sprache der Hellenen, deren Idiom ihm auch den uns bekannten Familienamen verlieh. Als Verehrer antiker literarischer Quellen bald bekannt, produzierte der Wittenberger Philosoph einige schöne Übersetzungen klassischer Werke und Einleitungen zu astrologischen Büchern, die aus grauer Vorzeit bis hin zu Ptolemaios reichen. Ad Fontes! Gern fuhr das sternenkundige Griechlein anlässlich coelär stattfindender Finsternisse von Wittenberg (woselbst man Professor für das Griechische geworden) zum nahegelegenen Pratau hin, um vom Dachboden aus der dort an der Elbe gelegenen Kneipe den Wandel des Mondes und seiner Beschattung durch die Erde zu beobachten und in lateinischen Versen hymnisch zu erheben.

Sternenliebe also. Nicht jeder mag ihr Thema, dass was Oben ist, das Untere ahnen lässt. Ja, nun - auch die Astrologie verkam hier und da zur Gosse für dumme Kerls und pendelnde Hausfrauen. Aber es gab einmal eine Zeit - und gibt sie immer noch, da ist der Blick auf den sich drehenden Tierkreis gemeinsam mit der Mathematik Königin der Wissenschaften … Außerdem - entartet nicht alles Große irgendwann nur deswegen, um sich wieder zu erneuen? Auch die lutherische Theologie kam teilweise im 17. Jahrhundert leider recht bald herunter - entweder zur sogenannten lutherischen Orthodoxie oder mündete in Geheimzirkel sonderbarster Frömmler und Spiritualisten. Doch es gab einmal eine Zeit … Regen wir uns nicht auf: Heute ist ja sogar die Sprache nicht mehr sicher, seit sich exaltierte Frauenbünde dazu berufen fühlen, bei Genus, Kasus und Grammatik nach Gutdünken selbst Hand anlegen zu dürfen. Jedoch -  es gab einmal ein goldenes Zeitalter …

Wichtig ist noch Folgendes: Wir haben drei schöne Lieder im Evangelischen Gesangbuch, die von Melanchthon stammen sollen. EG 141 für den Johannistag, EG 143 für Michaelis und EG 246 als verzweifelt ernst gemeintes Gebet dafür, dass Christus uns nie verlassen möge1). Diesen Liedern spürt man ab, wie Melanchthon an der Unbildung seiner Zeit gelitten und wie er selber darin Trost gefunden hat, frühchristliche alte Textzusammenhänge in die (für ihn) übersichtliche Metrik des Lateinischen retten zu können. Melanchthon gilt heute als der PRAECEPTOR GERMANIAE - Lehrer Deutschlands. Die Idee "Gute Schulen für Alle" stammt maßgeblich mit aus seinem Kopf. Und wer heute noch lesen und schreiben kann, brenne dem kleinen Mann aus Bretten/Wittenberg eine Dankeskerze an. 

Es ist so! Bei Melanchthon schauen wir auf einen der ganz Großen, die aber bei der Reformation trotzdem mitgemacht haben. Obwohl umgeben von eher Ungebildeten und Heißspornen. Erasmus von Rotterdam und Reuchlin zum Beispiel haben sich da lieber zurückhalten wollen. Kontaktschuld mit papstdelegitimierenden Mordgesellen und Bilderstürmern um Andreas Karlstadt, Thomas Müntzer und den ideengebenden Brandstifter Martin Luther wollten sie sich nicht vorwerfen lassen müssen. Da hatten sie eigene Vorstellungen. Sozusagen den Bannkreis spätfeudaler Brandmauern um sich gezogen … Viele Intellektuelle, die mit einem (oder sogar beiden) Beinen eher in der Philosophie und der Tradition der Antike gestanden haben als im Schmutz der tagespolitischen Verstrickungen, lehnten Luthers Kirchenreform vornehm ab. Denn ging es mit Luther nicht doch nur noch einmal (freilich in ärmlicheren Kostümen als die Renaissance sie bereit gestellt hatte) zurück in die finstere Welt des Mittelalters? Die Humanisten um Erasmus standen bereits im Stil europäischer Aufklärung ganz anderen Horizonten zugewandt.

Melanchthon aber ist so eine Zwischenfigur - er vermochte zu vermitteln und wollte es auch. Bei der Betrachtung seines Geburtshoroskops - das der Vater Georg Schwartzerdt unmittelbar nach dem ersten Schrei des Sohnes Philiipp diesem stellen ließ - sagte er einmal zu sich selbst über sich selbst: „Ja - ich bin zum Gespräch geboren” (AC 28° Virgo / MC 27° Gemini / Merkurius 27° Aquarius / Sol 7° Pisces - das hat nicht jeder). Melanchthon hatte wirkliches diplomatisches Talent. Aber es war keine feministische Außenpolitik, die er im Sinne hatte, auch kein anderer Unsinn (wenn es denn Unsinnigeres überhaupt geben sollte) sondern Melanchthon war nach der Art des gebürtigen Hallensers Hans-Dietrich Genscher eine Stimme innerhalb des damaligen Zeitgeschehens, die nicht einfach austauschbar gewesen ist. Was wir von Melanchthon lernen können - und deshalb sei hier an ihn erinnert - ist das geduldige Gespräch mit Leuten, die es schwer haben, komplexe Zusammenhänge zu begreifen und zu beschreiben ...

AVE  PHILIPPE  -  VERE  TU  ES  PRAECEPTOR  GERMANORUM

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1) EG 246,5 "Den stolzen Geistern wehre doch / die sich mit Gewalt erheben hoch / und bringen stets was Neues her / zu fälschen deine rechte Lehr" 

Autor:

Matthias Schollmeyer

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