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Totensonntag
Ewigkeitssonntag

Denkmal "Endlose Straße" auf Gertrauenfriedhof in Halle/S. (gemeinfreies Bild der WIKIPEDIA)
  • Denkmal "Endlose Straße" auf Gertrauenfriedhof in Halle/S. (gemeinfreies Bild der WIKIPEDIA)
  • hochgeladen von Matthias Schollmeyer

„Wir Toten, wir Toten sind größere Heere
Als ihr auf der Erde, als ihr auf dem Meere!

Wir pflügten das Feld mit geduldigen Taten,
Ihr schwinget die Sicheln und schneidet die Saaten,
Und was wir vollendet und was wir begonnen,
Das füllt euch dort oben die rauschenden Bronnen.

Und all unser Lieben und Hassen und Hadern,
Das klopft noch euch droben in sterblichen Adern,
Und was wir an gültigen Sätzen gefunden,
Dran bleibt euer irdischer Wandel gebunden.

Und unsere Töne, Gebilde, Gedichte
Erkämpfen den Sieg euch im strahlenden Lichte.

Wir suchen noch immer die menschlichen Ziele –
Drum ehret und opfert! Denn unser sind viele!"

Conrad Ferdinand Meyer (1825 - 1898) fand diese Verse. Mit dem DORT DROBEN (6.Zeile) ist unsere Welt gemeint. Die wird offenbar - und mehr als wir meinen - von dem bestimmt, was gewesen ist. Sagen die Toten. Weil es immer mehr Tote als Lebende geben wird, sollen die Lebenden den Toten Opfer bringen. Aber ist diese zahlenmäßige Unterlegenheit der Sterblichen den Gestorbenen gegenüber wirklich so groß, wie die Toten im Gedicht meinen?

Die Rechnung der Toten geht auf. Freilich nur unter der Bedingung, dass man ausschließlich in die Vergangenheit schaut. Man könnte es aber auch ganz anders sehen: Es wird nämlich (von jetzt! an gerechnet) immer mehr Lebende geben, als jeweils schon gestorben sein werden. Darum ist der Ahnendienst zwar eine Sache, die nicht versäumt und nicht vernachlässigt werden muss. Aber nur deshalb nicht, weil es um die Zukunft geht. Man wird die Toten ehren, weil es bereits auch ihnen schon immer um eine Zukunft gegangen ist. Die bis dato Verblichenen suchten (jeder auf seine Weise) das, was irgendwie in Verdacht stand, Zukunft über den Tod hinaus ermöglichen zu können. Suche trotzdem, obwohl bereits klar ist, dass jede Zukunft ebenfalls einmal in der Vergangenheit versinken wird.

Und so bitten wir Gott eben für die Toten. Bitten darum, dass ihr vages Glauben an eine Zukunft kein Trug gewesen sein möge, sondern irgendwann Wirklichkeit geworden sein wird. Wer sterbend je zu Boden sank, sah mit einem scheuen „Erbarme Dich!” im allerletzten Augenblick zum gütigen Himmel auf. Und wer jemals so oder so ähnlich gedacht hat, dem opfern wir bereitwillig und ergriffen vom Ernst der Lage unser Gedenken gern. Den ehren wir damit auch in gewisser Weise. Und das wäre christlich-vernünftiger Totendienst.

Autor:

Matthias Schollmeyer

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