List und Reue
Geburtstagsgabe (7)
Ihr wisst schon - die Tiere müssen Briefe schreiben, weil die Menschen ... Na ja. Allen ist ja längst klar, was los ist: Kulturdämmerung. Der 540. Geburtstag Luthers wurde diesmal nicht - oder kaum - gefeiert. Pech für Luther. Challenge für die Tiere. Hier der Brief des Igels:
Ihr lieben Menschen, hört die Rede eines alten Igels, lest seinen Brief. Ich schreib ihn gern und ehre Martin Luther, den Propheten. Es hatte einst der Hase mich, den Igel, dort draußen auf dem Felde angetroffen. Und dies geschah an einem Donnerstag bei den Rüben. Er, Lampe, war es dann, der meiner spottete. Lacht über meine kurzen Beine und das bekannte Stachelkleid. Ein Wort gab schnell das andere, doch schließlich wusste ich mir Armem nicht zu helfen, und griff zur List. Verführte Lampen bei dem Stolz, der Schnellere zu sein, mit einem Spiel. Die Wette galt, es ging um´s Laufen. Wer denn zuerst dort an dem Horizont anlange, ihm käme als Belohnung zu - Rum, eine Flasche voll, und auch zehn Golddukaten. Die Sache ist so alt, und jeder kennt sie längst. Jedoch aus Spiel ward schlimmer Ernst. Mein Weib und ich betrogen hart den Stolzen. Der Hase rennt und rennt und rennt. Doch zwischen ihr und mir hetzt stets sein Lauf. Er weiß es nicht. "Ich bin schon lange da" hört er am Ziel der Furche seinen Spruch. Merkt nicht, dass ich der Mann und sie das Weib ist, beide zwei, er aber nur der Eine. Denkt, er verlöre jeden seiner Läufe gegen mich, den lahmen Igel. So stürzt er schließlich hin, ist tot, liegt in der Zeile, er der schnelle Hase. Zu groß war die Anstrengung wohl. Ich und mein Weib, wir tranken dann die Flasche aus. So ist´s gewesen - ja, so war es wirklich, Leute. Das ist meine Beichte.
Die Leistung tötet, Gnade heilt. Ihr Menschen, glaubt es uns. Wir Igel wissen viel. Doch martert mich seitdem, was ihr Gewissen nennt. Wie schändlich habe ich gehandelt. Der Geist des Hasen zeugt seit Ewigkeiten gegen mich und mein Geschlecht. Ich hätte ihm den Trick gestehen sollen. Schon nach der ersten Runde. Dann wäre alles gut gegangen. Zu dritt die Flasche leer gemacht - gemeinsam laut gelacht. Und uns des Lebens wohl erfreut. „Was für ein schöner Donnerstag“, so hätten wir gesungen. Doch leider ist es nicht dahin gekommen. Als abends der Bestatter kam und unsern Freund, den Hasen, in die Kiste schlug, da flossen heiße Tränen. Die seiner Kinder - und die unsrigen vor Scham.
Wir haben seit Äonen das gebeichtet … Doch glaubt uns niemand die Geschichte wirklich. Sie alle denken sich, wir würden ihren schnellen Hasen nur verhohnepipeln wollen. Nur einer griff den Fall ganz ernsthaft auf. Und das ist dieser Martin Luther. Ja, er - er hat als Einziger begriffen, worum sich´s bei der Sache wirklich handelt. So oft bracht er in Wittenberg laut von der Kanzel die Geschichte in Erinnerung: Die Leistung ohne Grenze, - sie ist gnadenlos. Zerstört die Menschen, Tiere und die ganze Welt. Nehmt, Christen, meine Ehrerbietung an. Ich, nur ein kleiner Igel, huldige vor Euerm großen Mann.
Skadso Ericius - ein Igelmann
----------------------
alle anderen Tierbriefe hier
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.