eigentlich ... war es nämlich so
Geburtstagsgabe (9)
Auch der Papagei schrieb Luthern einen Brief. Anlässlich des vergessenen Geburtstags. Wir lesen darin viel Erstaunliches:
Liebe Leute, jeder hat heute ein Haustier. Tiere sind die besseren Menschen, wie man so schön sagt. Wer kein Tier hat, mit dem stimmt was nicht. Ich war Luthers Papagei. Er liebte mich so sehr … Ich brachte ihm nämlich Theologie bei. Wir waren Unzertrennliche. Ich wurde 70 Jahre alt. Ihr wisst aus dem Internet, dass wir Papageienvögel sehr alt werden können. Wenn Ihr das nicht glaubt, - guckt selber nach.
Der Luther wurde nicht ganz so alt, - aber nach Worms hat er mich damals mitgenommen. Ich habe ihm damals sein „Hier stehe ich!“ vorgesagt und vieles andere auch noch. Selber ist er ja nicht so spontan gewesen, der Martin. Aber ich. Ich bin übrigens einer der kleineren Papageien, man kann mich unter das Wams stecken, dann höre ich alles und kann auch Manches vorsagen.
Ich gehörte seit frühester Kindheit eigentlich dem Inkazauberer Quilzukatepetl. Ihr kennt den sicher nicht. Das war aber ein guter und kluger Mann. Kolumbus hat mich seinerzeit gegen irgendwelche Glasperlen bei meinem Herrn eingetauscht und gleich darauf als Geschenk nach Portugal mitgebracht. Nun wisst Ihr ein bisschen mehr über mich. Über Umwege bin ich aus Spanien, wo die Inquisition mich zur Beschattung antikatholischer Gefährder, die sich der Reconquista entziehen wollten, eingesetzt hatte, nach Deutschland gebracht worden. Zum Schluss war ich exotisches Geschenk für Friedrich den Weisen in Wittenberg, der heutigen Lutherstadt. Der Kurfürst endlich hat mich Luthern vermacht, weil ich ihm immer in die Gemächer geschissen habe. Bei Luthers dann legte ich diese Angewohnheit aber sehr schnell ab, denn Luther war selber dreckig genug. Und Katharina hat mich jedesmal hart gestäupt, wenn ich Anstalten machte, mich auf ihren Teppich zu erleichtern. Ne, - da kannte sie keine Gnade! Das dazu …
Durchs Fenster eines der Vorgängerbauten des Escorial war ich also eines Tages entflogen! In Rom haben sie mich aber wieder eingefangen (Alle Katholiken der Welt stecken ja bekanntlich unter einer Decke bis auf den heutigen Tag!) Über Venedig und Wien kam ich schließlich nach Wittenberg. Aber das habe ich Euch ja vorhin schon angedeutet, und Ihr wüsstet es noch, hättet ihr nur richtig aufgepasst. Ich will mich als Papagei nicht so oft wiederholen. Und jetzt das noch - für die Konrinthenkacker unter Euch: Es spielt keine Rolle, dass das Escorial erst 1584 vollständig fertig gestellt worden ist, als der Luther schon im Himmel angekommen gewesen sein muss. Denn man kommt gleich nach dem Tod entweder hierhin oder dort hin. Keiner muss auf den Jüngsten Tag warten. Das ist Quatsch. Wird aber hie und da trotzdem behauptet.
Also - ein kleiner Papagei, der ich bin, habe ich in den stickigen Verliesen der römischen Kirche viele Ketzereien belauscht. Geniales Zeug war dabei, kann ich Euch sagen! Das habe ich dem Luther immer und immer wieder erzählt. Immer wieder. Er hat das alles von mir. Und dadurch! Erst wirklich nur dadurch - ist er selber jener kluge Kopf geworden, für den man ihn heute noch hält. Ich der kleine Papagei aus Paraguay war sozusagen sein Dozent. War Luthers Eckermann, wenn Ihr wisst, was ich meine. Nur umgekehrt - ich war Goethe und Luther der Papagei Eckermann. Klar?
Und jetzt komme ich auf den Punkt: Nämlich, weil Luther mich niemals ins Tierheim gebracht oder schlecht behandelt hat, muss er ja doch ein guter Mensch gewesen sein. Ich finde nur, er hätte sich ein Beispiel an meinem Federkleid nehmen sollen. Das wäre wirklich eine Leistung gewesen. Ich bin so schön bunt. Und wie sehen die protestantischen Zauberer heute alle aus? Total Schwarz! Und das ist nicht gut! Ein Zauberer muss bunt sein.
Leute, sonst wird das nix …
Hillaroyt - Papagei
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