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DEMÜTIG DEN
GOTT BEGLEITEN

Ja - die Texte werden ernster. Denn es geht auf den Volkstrauertag, den Bußtag und das Totenfest zu. In einigen Gegenden unseres lieben Heimatlandes sagen die Bauern zum Ewigkeitssonntag wirklich noch Totenfest. In diesem nur für den ersten Augenblick scheinbar schon völlig außer Gebrauch gekommenen Begriff sind neunzig Prozent der Kraft unserer Lebenswirklichkeit gespeichert. Sein Festtag erinnert an die äußerst vital anmutenden Feiern der mexikanischen dias de la muertos. Aber - wir brauchen gar nicht so weit in die Ferne zu schweifen. Und sollten auch das nahende Halloweenevent nicht ganz vergessen - jenes sonderbare Happening, welches allem Reformationsgedenken längst den Rang abgelaufen zu haben scheint. Und gleich darauf kommt der im Anschluss an die katholischen Allerheiligengesänge  gefolgte Allerseelentag. Zusätzlich schaut dem Jäger Hubertus danach der edle Hirsch mit dem Kreuz im Geweih mahnend um die Ecke und schon sind wir am 3. November angekommen. Nur Sankt Martin ist wohl ein Lichtblick innerhalb unserer Friedensdekade mit ihren Themen, die die Tage noch mal einige Klicks schärfer machen. Die Bibeltexte dieser Wochen werden ernst und ernster. Sogar die Zeit selbst - sie wird umgestellt. Es ist früher dunkel und wird später hell. Das alles hat was Magisch-Mystisch-Mythisches. Oder etwa nicht?

Am 27. Oktober hören wir das Evangelium vom bösen Schalksknecht und wie der in den Turm geworfen wurde, weil er einem Schuldner gegenüber kein Einsehen zeigen wollte. Dabei waren er und seine Familie eben erst Kraft der Gnade ihres Gutsherren  selber bitterer Schuldhaft entkommen. Und in der Brieflesung des morgigen Sonntags wartet der Apostel Paulus - nennen wir ihn ruhig einmal so - mit seiner bekannten Selbstbeschuldigungstirade auf: Er will zwar das Gute tun, tut es dann aber doch nicht. Sondern er bleibt Knecht einer obskuren in ihm wütenden Sündenmacht. Der arme Mann weiß noch nicht einmal, ob er das Gute wirklich wenigsten wollen will - oder auch schon der Wille zum Guten nur ein bloßer Schein bleiben wird. Ebenfalls die uns zum Gebrauch empfohlenen Lieder nehmen den Charakter gesungener Dogmatik an und wir fühlen uns fast an jeder Stelle dem scharfen und prüfenden Blick des eigenen Gewissens ausgesetzt. Noch dazu haben wir als Predigttext folgenden Satz zu bedenken:

„Es ist dir gesagt, Mensch - was gut ist
und was der Ewige fordert von dir:
Gerechtigkeit üben in Liebe -
demütig zu wandeln mit deinem Gott.” (Micha 6,8)

Ja - es gibt verschiedene Varianten das zu übersetzen. Die hier in's Metrum gebrachte versucht, sich an Martin Bubers anzuschmiegen. Gegen alle Lamentiererei, ob etwas gut sei oder nicht, gegen alle Bedenken, dass man niemals wird entscheiden können, was gut oder böse sei, steht hier die Behauptung, dass es doch geht - und man nicht lange herum suchen muss. Denn es ist alles gesagt, alles aufgezeigt, alles müsste klar sein: Gerechtigkeit - und zugleich Liebe. Beides widerspricht sich nicht selten tatsächlich. Aber wer in Demut mit Gott geht, auf dessen Seite scheint das Gute sich hinüberzuneigen, damit man es mit etwas Mühe sogar ergreifen kann.

Klar ist auch, dass dem Satz des Propheten Micha, dass seinen Überlegungen und der dann Theologie gewordenen entsprechenden Ideen besonders von denen vehement widersprochen werden wird, welche genau wissen, dass sie eigentlich ungerecht handeln oder an solchem Handel Vorteil nehmend teilhaben, deshalb auch nicht mehr lieben wollen - und damit Diener des eigenen Hochmuts sind. Sowohl für die als auch für uns - wenn es da überhaupt einen Unterschied geben sollte - kann das Nachdenken über die Bibelverse vom 22. Trinitatissonntag wichtig sein. Ja - die Texte werden ernster.

Jedes Jahr genau immer an derselben Stelle …

Autor:

Matthias Schollmeyer

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