Durch Adams Fall
ist ganz verderbt
Am sechsten Tag, wohl um die zehnte Stunde,
erhob die Schlange ihren nackten Bauch.
Und Adams Weib, scheinheilig mit dem Munde,
betört durch Fragerei der leere Schlauch:
„Hat Gott geboten, dass man ihm nicht lange
die Früchte seines Gartens zum Verbrauch?“
Das Weib jedoch entgegnete der Schlange:
„Wir essen alles. Nur von jenem Baum
dort an des Gartens Grenze ist uns bange -
wer davon nähme, wär’ des Todes Traum.“
Die Schlange sprach: „So schnell wird niemand sterben.
Im Gegenteil, es öffnet sich ein Raum -
die Frucht des Baumes lässt den Rest euch erben!
Ihr werdet sein wie Gott, denn bös und gut
erkennt ihr dann - und werdet nicht verderben.
Gott weiß das wohl - und prüft nur euern Mut.
Das Köstlichste hielt er bis jetzt verborgen -
drum nehmt und esst. Erfrischt euch in der Glut.“
Schon saßen sie und aßen bis zum Morgen -
bis ihren Augen dämmerte ein Sorgen …
von Nacktheit wähnten sie sich allumfangen,
ein Flechtwerk ward erstellt aus wildem Blatt!
Sie bargen sich vor Gott, der kam gegangen
zum Garten hin - von Werk und Arbeit satt.
„Wo bist du Adam?“ fing er an zu locken -
bis endlich sich der Mensch gemeldet hat:
„Ich schämte nackend mich vor dir zu hocken!“
„Du weißt von Scham. Nahmst etwa von der Frucht?“
„Das Weib gab mir!“ Und Eva rief mit Bocken:
„Der Wurm entfesselte in mir die Sucht …“
Weil falsches Wissen beiden war geworden -
sandt’ Gott sie fort aus seines Gartens Bucht.
Die Erde draußen durfte man im Norden
bebauen. Kindsgeburt mit Weh und Ach,
die Distel als des Ackers Lohn und Orden
und kärglich Brot mit Kummer unterm Dach.
Doch machte ihnen Gott noch Kleiderfelle -
und schloss das Tor mit Winkeln immerwach.
Nur leise noch dringt aus des Gartens Zelle
einstigen Glückes Lied in weher Welle …
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