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Buch Richter Kapitel 16
Samson und Delilah

Samson dreht die Mühle eines Göpelwerkes im Kerker

Sie war schon über ihres Lebens Mitte
hinausgekommen nach der Jahre Zahl.
Doch unerhört geblieben ihre Bitte,

ein eignes Kind zu haben auch einmal.
Es hatte Gott den Leib ihr fest verschlossen,
wie andern Frauenzimmern ohne Wahl.

Bei vier Jahrzehnten waren so verflossen,
kein Kindlein hat das Licht der Welt erblickt,
die Eltern haben Tränenflut vergossen

doch sich dem herben Fatum angeschickt.
Dann eines Tages - draußen auf dem Felde!
Da saß ein Mann und hat sie hochbeglückt:

„Ich komme her” sprach er „dass ich dir melde
die baldige Geburt von deinem Sohn.
Solange meide Rauschtrank und auch Kälte -

dann wird die Sache wohl gelingen schon ...”
Die Frau eilt zu Manoah, ihrem Manne,
berichtend alles froh in hellem Ton.

Neun Monat' lange sei nur noch die Spanne -
dann würd' ein Engel lösen sie vom Banne.

Das Knäblein ward geboren und sein Name
heißt Samson - wie die heiße Sonne heißt.
Er wuchs heran. Nun kommt das Wundersame -

das war, als er zum Land der Feinde reist:
Im Reiche der Philister wird er sehen,
wo Liebe hinführt, was Begierde heißt.

Er kniet vor Delilah, sie anzuflehen
um Liebe! Delilah - das ist die Nacht.
Und wenn die Sonne will zur Nacht eingehen,

dann tritt des Schicksals Schicksal auf die Wacht.
Denn Samsons Kraft ist sprichwörtlich geworden:
Bezwingt die Löwen mit des Rätsels Macht.

Er spaltet Köpfe den Philisterhorden,
und niemand seine Kraft bezwingen kann!
Drum wollten die Philister ihn ermorden

und hielten Rat, wie man es stelle an:
Delilah soll den besten Zeitpunkt finden,
wenn eingeschlafen wär’ ihr Ehemann.

Man würde Samson scheren, knebeln, binden
und Tag und Nacht als Arbeitssklaven schinden.

„Was ist der Grund für deine Stärke, sage”
fragt Delilah und schmiegt sich Samson an.
Doch dieser meint: „Was soll mir deine Frage?”

Delilah: „Liebst du mich, sag's irgendwann.”
Sie quält ihn und sie drängelt ohne Schämen -
und endlich plaudert’s aus der müde Mann:

„Wenn ihr euch würdet heut dazu bequemen,
die Haare gänzlich abzuscheren mir,
müsst es auf Wochen meine Stärke lähmen.”

Da bringt Delilah ihm vom stärksten Bier.
Als Samson schlummert, scheren die Philister
sein Haar. Sie ruft: „Philister über dir!”

Schnell will er auf, doch hört nur das Geknister
der Fackel, die die Augen ihm ausbrennt.
Laut triumphiert das Volk. Und die Minister

zum Kerker führen ihn gebund’ner Händ.
Die Mühle soll er nun hier unten drehen,
von Delilah betört - vom Licht getrennt.

Im Göpelwerk muss Samsons Sonne gehen
für alle Zeit - welch schreckliches Geschehen.

Die Fürsten der Philister wollten feiern
für Dagon Harascha ein Freudenfest
mit Opfer, Kultmusik und Marktplatzschreiern.

Die riefen: „Wer auf Dagon sich verlässt,
dem fallen alle Feind’ in seine Hände:
Wie Samson, welcher sitzt uns in Arrest -

es brachte Dagon allem Volk die Wende.
Und die Philister lobten ihren Gott.
Und brachten dar dem Scheusal manche Spende -

gar fröhlich ward ihr Herz bei Hohn und Spott:
Sie schmähten Samsons Gottheit und sie wollten,
dass er abschwöre Adon Sabaoth.

Und holten aus dem Kerker ihn und rollten
ihn hin und her und hatten großen Spaß
und banden Samson an die Pfeiler, tollten

herum im Kreise. Doch dann kam noch das:
Als Samson sprach: „Lasst mich ein wenig lehnen
an diese Pfeiler, dass ich sie umfass

und finde Halt für meiner Füße Sehnen:
Danach ich weiter aufführ' Schauspielszenen …”

Das Haus war voller Männern und voll Frauen,
auch waren viel Philisterfürsten dort.
Und auf dem Dache Tausende, die schauten,

als Samson rief: „Herr, höre auf mein Wort!
Mein Haar wuchs nunmehr länger als in Tagen,
da ich noch mächtig war in Kampf und Sport.

Gib Stärke mir, dann will ich Rache wagen
für dich, o Herr, und für mein Augenlicht!”
Die Säulen er umfing, ohn‘ viel zu fragen:

Die Mittelpfeiler, darauf alles liegt:
Hob an, sich gegen diese fest zu stemmen -
nach links und auch nach rechts mit dem Gewicht.

Bis glitt das Dach aus seinen eisern Klemmen,
und auf die Fürsten fiel das schwere Haus:
nichts hat vermocht, den Einsturz ihm zu hemmen,

mit allem Volke drinnen war es aus.
Die Toten dieses Tages für die Raben?
Noch niemals gab es einen größer’n Schmaus.

Dann kamen Samsons Brüder und sie haben
den Helden Gottes würdevoll begraben.

Autor:

Matthias Schollmeyer

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