28. Dezember
Tag der unschuldigen Kindlein
Am andern Tage bietet sich durchs Fenster
ein grausam böses Bild den Augen dar:
Heran in Reihen zieht es wie Gespenster
mit Rüstung, Schwert und Lanze offenbar.
Zum Trommelschlag die schwarzen Fahnen wehen -
und Kriegsgesänge stimmte an die Schar.
„Herod lässt seine Söldnertruppen gehen
nach Bethlehem, zu stiften Mord und Not.
Die Mütter wird es treffen, wird man sehen -
denn unserm Kinde wünscht der König Tod!“
Der Engel, der mich führt, hob an zu trauern,
indes den Himmel färbt des Abends Rot:
„Er fing den EINEN nicht in seine Mauern.
Drum rüstet er zur Strafexpedition
und tötet a l l e Knaben, ohne Dauern -
denn unter ihnen wähnt er Gottes Sohn.
Herodes sendet hundert Rotten Ritter
mit Kinderleichen stützt er seinen Thron ...“
Von ferne hörte ich den Schrei der Mütter
und fiel zu Boden an des Fensters Gitter.
Doch als ich zu mir kam, fing an zu flehen
ich oben auf des Aussichtsturms Abtei.
Des Schicksals Räder solle weiterdrehen
der Engel gleich, ich hülfe ihm dabei.
Und schrie: "Willst du die Hilfe unterlassen?“
Er aber achtet nicht die Litanei.
„Es gibt“, sagt er „uns Engelsvolk in Massen.
Und manchmal greifen wir auch wirklich ein.
Doch ich bin nur gesandt mit zuzufassen,
wo Menschen einsam wandern und allein.
In diesem Falle kann ich gar nichts machen -
doch schau nach oben in das höh‘re Sein …“
Und als ich´s tat, da sah ich welche wachen,
die malten, was geschah, mit stummem Mund
und feinem Pinselstrich. Als zartes Lachen
kam Angesicht um Angesicht zur Stund
hinzu. „Sieh hin, den abertausend Knaben
wird Blut verwandelt hier in goldnen Grund.
Im Haus der Bilder - wie in Honigwaben -
wird Christ sie alle immer um sich haben."
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