der Briefumschlag
und sein Leuchten
"Ihr seid ein Brief von Christus. Ich überbrachte dieses Schreiben. Es ist nicht mit Tinte geschrieben, sondern mit Gottes lebendigem Geist. Auch nicht mehr auf Steintafeln, sondern in den Herzen. Ja, Gott ist es, der mir die Fähigkeit gibt, ihm zu dienen. Sein neuer Bund soll bekannt werden. Er besteht nicht mehr aus Buchstaben, die letztlich zum Tod führen; sondern ist reiner Geist, der das Leben bewirkt. Mose brachte das Gesetz der steinernen Tafeln. Obwohl deren Buchstaben letztlich zum Tode führten, war der Glanz auf dem Angesicht Moses so stark, dass sein Volk ihn nicht ertragen konnte. Bedenkt - es war nur ein vergänglicher Glanz! Wenn also das, was den Menschen an den Tod führt, mit solcher Herrlichkeit ausgestattet war, wie viel herrlicher muss dann das sein, was geistlich zum Leben führt?" (Predigttext vom 13.10.2024 - 2. Kor 3,3-9)
Der Postbote wird erwartet. Er kommt in einem gelben Automobil daher gefahren und füllt unsere Kästen mit diversen Briefsendungen. „Keine Post - ist gute Post” sagt der Volksmund, und er hat nicht ganz Unrecht damit. Denn jeder erwartet zwar sehnlichst die Postbotin, aber fürchtet auch in gewisser Weise ihre Gaben. Denn Finanzamt, Rentenbescheid, Mahnungen und Bußschreiben wegen Geschwindigkeitsüberschreitung und anderen Vergehen treffen unter Umständen mit ihren eher düster stimmenden Nachrichten ein. Jedoch - es gibt ihn noch: Den guten und schönen Brief.
Die Christen sind also Post, haben wir bei Paulus weiter oben gelesen. Und zwar sollen wir „Gute Post” sein. So was Ähnliches wie eine Gewinnmitteilung der Toto-Lotto GmbH ohne Haken. Geschichtsphilosophisch betrachtet müssen wir sagen, Christus habe der Menschheit einen inzwischen 2000 Jahre alten sehr langen Brief geschrieben, der immer noch mit einem großen Versprechen lockt - und dieser Brief, das sollen wir als Kirche sein. Die Apostel hatten die Post einst auf den Weg gebracht - die Zustellung dauert weiter an und deshalb sind wohl auch wir noch zu den Postboten zu rechnen ...
Wie machen wir nun unsere Briefe auf? Nutzen wir Brieföffner? Oder fetzen wir den Brief mit dem Zeigefinger auf? Vielleicht ist uns die Kunst des Briefeschreibens -öffnens und -genießens weite Strecken tatsächlich einigermaßen abhanden gekommen. Ach ja, - die Kultur des Briefeöffnens am Pult oder am Schreibtisch mit grünbeschirmter Leselampe und so weiter und so weiter … Wo ist sie geblieben? Müsste man sich nicht wieder einen tintenbetriebenen Füllfederhalter besorgen, handgeschöpftes Büttenpapier und müsste man sich nicht Zeit dafür nehmen, einen schönen Brief zu verfassen? Dann würde dieser Brief angeschickt werden und man wartete, dass jemand Unbekanntes ihn zustellte (alles Konjunktive!) und man wartet wieder zum anderen Male, bis der Adressat zurück schriebe. Und wartete weiter, bis der Postbote die Antwort eines Tages brächte (alles Konjunktive).
Für diese Zeit sind oft immerhin zwei Wochen vergangen - wenn es über die Meere ging, noch mehr. In diesen zwei Wochen (oder noch mehr) ist u.U. viel geschehen. Denn die Ereignisse sind im Vergleich zu den Beschreibungen, welche von ihnen in den Briefen gemacht worden sind, phasenverschieden geworden. Das hatte alles schon seinen Reiz. Ach ja, - all die Bücherausgaben und Werke der großen Literaten und Weltenlenker, sie sind so wichtig und wir können viel daraus lernen. Aber um sie recht zu verstehen, sind die Briefwechsel ihrer Autoren mit der Zeitgenossenschaft fast noch wichtiger. Mit dem Ersterben der Briefschreibekultur hat die gegenwärtige Menschheit etwas sehr Wesentliches verloren und verspielt. Die schnelle elektronische Post hat die Intensität der menschlichen Beziehungen verändert und die literarische Kulturlandschaft wesentlich ärmer gemacht.
Wenn jeder von uns sich nun als ein Kapitelchen eines wichtigen Buches, eines Fortsetzungsromans verstehen würde? Wäre das Leben dann nicht interessanter - für einen selber und für die Menschen, denen wir begegnen? In den Romanen und Dramen kommt ja alles vor, was wir ersehnen und befürchten und erhoffen. Fast immer dabei ist z.B. der Typos des unbekannten Fremden, der da hilft, oder dem geholfen werden muss. Oder das geheimnisvolle Zigeunerweib, das die Wahrheit sagen muss, aber nicht will - weil die Wahrheit so stark ist, dass sie u.U. schaden muss. Wenn die Kirche begreifen würde, dass auch sie etwas von diesem Fremden oder diesem Weibe hat, welche der Wahrheit verpflichtet bleiben müssen, würde sie dann vielleicht ihre verloren gegangene Kraft wieder zurück erlangen? Auf jeden Fall soll sie sich nicht als niedrigschwellige Entertainerin für etwas verstehen, was andere besser zu Wege bringen. Der Prophet ist nicht der Clown. Das ist der Punkt! Ein Brief ist uninteressant geworden? Er führt zu nichts hin und von nichts mehr fort - geschweige denn fort vom Tod. Dann ist er auch nichts mehr wert. Wir sollen ein wertvoller Brief sein. Nicht mit Tinte auf Papier oder ewigen Runen in Stein, sondern Herzensschrift ...
Schauen wir in die Geschichte, wie Paulus sie verstehen wollte: Der Ägypter Mose hatte eine wichtige Funktion. Er half, nachdem Echnaton mit einem ähnlichen Reformprojekt in Ägypten leider gescheitert war, zusammen mit einer Gruppe in die Wüste geflohener Enthusiasten, dem ewiges Sittengesetz auf den Weg, ohne das wir auch heute noch nicht auskommen, an dem aber zugleich viele Einzelne verzweifelt zerbrochen sind - weil man das Gesetz kaum oder gar nicht einzuhalten vermochte. Das genau meint Paulus, wenn er schreibt, der Gesetzesbuchstabe bringt letztlich immer den Tod, wenn man ihn als höchste Lebensinstanz installiert hat. Dem Buchstaben muss der Geist zu Hilfe eilen - das erst führt zum Leben. Mit Johnny English gesprochen: "Geist muss immer Herr über Buchstabe sein!" Solchen Geist wollte Paulus verkündigt wissen: Vergebung nach geschehener Reue. Ermutigung zum Vertrauen nach bitterer Enttäuschung. Glauben an die Möglichkeit der Gnade Gottes. Und deshalb eine maßvolle Freundlichkeit gegenüber denen, die alles vermasselt haben. Das und noch viel viel mehr ... Ja - solche Briefe läse man gern. Und würde sie in Ehren halten. Sogar die leeren Umschläge will man aufheben, wenn gute Nachrichten drin gesteckt haben.
Zum Schluss: Es gibt, wie wir alle wissen, selbstklebende Briefumschläge, die beim aufmachenden Öffnen einen blauen Lichtblitz abgeben. Chemolumineszenz oder so was ... Um diesen wunderschönen Effekt zu beobachten, muss man in ein dunkles Zimmer gehen. Wenn man dann in der absoluten Dunkelheit einen solchen Umschlag öffnet, indem man seine beiden zusammenklebenden Hälften voneinander losreißt, dann gibt es dabei diesen blauen Leuchtblitz - ein postalisches Nordlicht sozusagen.
Lieber Prof. Blume, als ich letztens im Dunkeln einen selbstklebenden Briefumschlag öffnete, leuchtete die Klebstoffbahn bläulich auf. Ich war so fasziniert, dass ich diese Umschläge jetzt immer im Dunklen öffne. Da man als Lehrerin leider gar keine Zeit hat, sich um die interessanten Dinge des Lebens zu kümmern, wende ich mich also voller Neugier an Sie: Wieso leuchtet Briefumschlag-Kleber im Dunkeln?? Viele Grüsse von Marion Göthlich (z. Z. Lehrerin am Städtischen Gymnasium Bad Driburg)
Die Antwort blieb nicht aus:
Liebe Frau Gröhlich! Bei dieser Lichterscheinung handelt es sich um elektrische Entladungen, also um echte elektrische Blitze. Versuchen Sie auch einmal, einen selbstklebenden Briefumschlag neben der Antenne eines Radios mit Mittelwelle zu öffnen. Der Lautsprecher knackt wie bei atmosphärischen Störungen durch ein Gewitter. Zur Entstehung der elektrischen Aufladung gibt es viele verschiedene Theorien, und eine ist schwieriger zu verstehen als die andere. Aber meistens reicht es ja auch aus, dass man sich an dem Phänomen erfreut und den Effekt den Eltern oder Freunden vorführt! Denn die freuen sich auch gern! Herzliche Grüße Ihr Professor Blume.
Diesem kleinen (wenn auch nur elektronisch per Mail geführten Briefwechsel) Dialog ist nichts hinzuzufügen . Wir sind ein Brief und schon der Umschlag, in dem wir stecken, soll leuchten. Um wieviel mehr noch der Inhalt ...
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