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… von dem Versucher
zum Sonntag INVOCAVIT am 18.2.2024

Am kommenden Sonntag Invocavit hören wir wieder die Geschichte von der Versuchung Jesu (Mt 4,1-11). Drei Verführungen präsentiert der Text: Wunderschein, Übermut, Macht. Viele Zeitgenossen sind heute davon überzeugt, es mache keinen Sinn mehr, von einem guten Gott zu reden - und man dürfe sich deshalb bei eigenen Plänen auch der Kraft des Bösen bedienen.

Jesus entschied anders. Er verwandelt Steine nicht in Brot, um die Sinne des Leibes zufrieden zu stellen. Er sprang auch nicht vom Dach des heiligen Tempels, um sich selbst und irgendwelchen Frauen zu imponieren. Er verschrieb seine Seele nicht dem Teufel, um Millionen hinter sich zu scharen, die ihm zugejubelt hätten "Wir sind das Volk!" Denn der Mensch lebt erstens nicht vom Brot allein. Ihm sind zweitens Grenzen gesetzt, die man nicht ungestraft hinausschiebt. Und drittens gilt es, der Verführung zu ungeteilter Macht zu trotzen.
Die Jesus-Geschichte vom Kennenlernen des eignen Gewissen geschah in der Wüste und im Horizont wirklicher Selbstbegegnung - die immer auch Gottesbegegnung bedeutet. Wie der Versucher für Jesus damals ausgesehen hat, wissen wir nicht. Vielleicht glich er dem eigenen seitenverkehrten Spiegelbild? Wir wissen nur, wie die heutigen Versucher aussehen. Und wir kennen ihre Angebote. Die sind durchaus verlockend. Sie suggerieren immer, zu den Richtigen gehören zu können, wenn wir dies oder das aus dem Katalog ihrer Programme tun bzw. dies oder das lassen. Jeder schaue da tief hinein in den eigenen Verstand. Denn dort versteckt sich der Versucher. Er kann sich sowohl mit den Masken der Vernunft unkenntlich - als auch in berechtig scheinenden Spontanaffekten verschwinden machen. Wer könnte ihm je entkommen? Genau deswegen bitten wir im Vaterunser - mehrere Male am Tage: "Und führe uns nicht in Versuchung." Oder ähnlich lautend: Führe uns  i n  der Versuchung. Man könnte auch sagen: Und führe uns d u r c h  die Versuchung, a u s  der Versuchung, t r o t z  der Versuchung.

Stefan George hat 1907 in einem luziden Gedicht geahnt, was alles an ideologischen Verführungen würde kommen können. Es ist immer der Fürst des Geziefers, der sein Reich installieren möchte.  George schrieb gegen die Versuchungen der Neuzeit und beschrieb sie genau. Sein bekanntes Gedicht spielte u.a. eine wichtige Rolle im Kreis der Widerständler des „Geheimen Deutschlands” um Claus Philipp Maria Schenk von Stauffenberg. Das Gedicht heißt DER WIDERCHRIST. Hier in der bei Stefan George unverwechselbaren Orthographie: 

>Dort kommt er vom berge · dort steht er im hain!
Wir sahen es selber · er wandelt in wein
Das wasser und spricht mit den toten.<

O könntet ihr hören mein lachen bei nacht:
Nun schlug meine stunde · nun füllt sich das garn ·
Nun strömen die fische zum hamen.

Die weisen die toren – toll wälzt sich das volk ·
Entwurzelt die bäume · zerklittert das korn ·
Macht bahn für den zug des Erstandnen.

Kein werk ist des himmels das ich euch nicht tu.
Ein haarbreit nur fehlt und ihr merkt nicht den trug
Mit euren geschlagenen sinnen.

Ich schaff euch für alles was selten und schwer
Das Leichte · ein ding das wie gold ist aus lehm ·
Wie duft ist und saft ist und würze –

Und was sich der grosse profet nicht getraut:
Die kunst ohne roden und säen und baun
Zu saugen gespeicherte kräfte.

Der Fürst des Geziefers verbreitet sein reich ·
Kein schatz der ihm mangelt · kein glück das ihm weicht ..
Zu grund mit dem rest der empörer!

Ihr jauchzet · entzückt von dem teuflischen schein ·
Verprasset was blieb von dem früheren seim
Und fühlt erst die not vor dem ende.

Dann hängt ihr die zunge am trocknenden trog ·
Irrt ratlos wie vieh durch den brennenden hof ..
Und schrecklich erschallt die posaune.

Die Zeilen des großen Sprachkünstlers und die Versuchungsgeschichte aus dem Matthäusevangelium blieben und werden (wieder) wichtig! Sie lassen uns erkennen, in welcher Situation wir uns erneut befinden ...

Autor:

Matthias Schollmeyer

Webseite von Matthias Schollmeyer
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