Orgeltag
Nur 67 Prozent aller Orgeln spielbar
Zum Deutschen Orgeltag am kommenden Sonntag (11. September) sind innerhalb der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) zahlreiche Orgeln zu besichtigen, es finden Konzerte, Führungen, Wandel-Aktionen, Filmvorführungen und Kinder-Programme statt. Der Orgeltag wird zum zwölften Mal veranstaltet und ist integriert in den „Tag des offenen Denkmals“. In der EKM gibt es mit etwa 4.000 Orgeln zwanzig Prozent der evangelischen Orgeln beziehungsweise acht Prozent aller Orgeln in Deutschland. Viele Instrumente wurden aufwändig restauriert, allerdings besteht auch noch viel Nachholbedarf: Nur in 67 Prozent der Kirchen gibt es eine spielbare Orgel, 17 Prozent besitzen eine nicht spielbare Orgel und 15 Prozent der Kirchen sind ohne Orgel.
„Bei der Pflege und dem Erhalt der Orgeln geht es nicht nur um ein kirchliches Interesse: durch die Aufnahme von Orgelmusik und Orgelbau in die Liste des immateriellen Weltkulturerbe der UNESCO wird deutlich, dass es ein gesamtgesellschaftliches Anliegen sein muss“, betont Christoph Zimmermann, Orgelreferent der EKM. Der Umfang der Orgelbauaktivitäten in der Landeskirche sei nicht ausreichend, um den Bestand dauerhaft zu sichern, zumal eine Orgel etwa alle 20 bis 25 Jahre gründlich gereinigt und gegebenenfalls repariert werden müsse.
Wie Zimmermann beobachtet hat, ist die Wartung und Pflege der Orgeln sehr von den Menschen vor Ort abhängig. „Nur wenn dort jemand für ein Orgelprojekt ,brennt‘ und es zu seiner Aufgabe macht, kann es gelingen. Neben aller finanziellen Förderung wird es zukünftig entscheidend sein, dass es kreative ,Motoren‘ vor Ort gibt“, betont der Orgelreferent. Eine Orgel sei etwas Repräsentatives, „deshalb gibt es bei uns mit den ehemals kleinen Residenzen ja auch so viele wertvolle Orgeln – jeder Landesherr wollte ein besonderes Instrument haben. Und auch heute noch wird von Außenstehenden eher für eine Orgel als für ein Dach oder den Fußboden einer Kirche gespendet“, berichtet Zimmermann. Allerdings müsse man auch einbeziehen, dass die Privatvermögen hier in der Region nicht so hoch seien.
Als positives Zeichen wertet er, dass innerhalb der Landeskirche gerade einige Orgeln neugebaut werden und wurden, beispielsweise im Refektorium der Predigerkirche Erfurt, der Kirchenburg Walldorf sowie in Halle (Saale) in der Evangelischen Hochschule für Kirchenmusik und in der Pauluskirche.
Den Orgeltag sieht er als wertvollen Beitrag, um für die „Königin der Instrumente“ zu werben. „Dies geschieht am besten, wenn sie erklingen“, so der Orgelreferent.
In der EKM sind für die Beratung zur Pflege der Instrumente 22 Orgelsachverständige in den Kirchenkreisen tätig. Zurzeit werden die Orgeln in der Landeskirche von 179 hauptamtlichen und etwa 650 nebenamtliche Organistinnen und Organisten gespielt.
Ausgewählte Veranstaltungen zum Orgeltag in Thüringen:
Eine Orgel-Fahrradtour „Bach&Bikes“ beginnt um 14 Uhr in der Kirche St. Blasii in Nordhausen. Kantor Michael Goos spielt Werke von Johann Sebastian Bach. Weitere Konzerte folgen 15.30 Uhr in Petersdorf und 17 Uhr in Görsbach. Der Eintritt ist frei, Kantor Goos nennt als einzigen Teilnehmerbeitrag „je nach Fahrweise bis zu 500 Kalorien 😉“.
In einem Wandelkonzert in Eisenberg stellt Kantor Philipp Popp die dritte Benefiz-CD zur Finanzierung des Orgelprojektes in der Stadtkirche mit dem Titel „Bach Begegnung“ vor, in dem er an den drei Orgeln der Stadt Werke von Bach kombiniert mit Orgelmusik der Romantik und Moderne spielt. Beginn ist 17 Uhr an der berühmten Donat-Trost-Orgel in der Schlosskirche St. Trinitatis, weiter geht es zur Stadtkirche mit der Böhm-Orgel von 1977 und einer englischen Orgel von 1909. Für technisch und architektonisch Interessierte wird um 15 Uhr eine Orgelführung in der Stadtkirche angeboten.
„Von Wunderpfeifen und Orgeldrehern“ lautet das Motto einer Orgel-Führung am 11. September um 11 und 18 Uhr in der Kirche St. Peter & Paul in Erfurt-Stotternheim. An der spätromantischen Walcker-Orgel von 1902 gewährt Kantorin Manuela Backeshoff-Klapprott einen umfassenden akustischen und optischen Einblick in Klangwelt und Funktionsweise. Auch Kinder sind willkommen. Mit den MeloPipes (Einzelpfeifen mit Hygiene-Mundstück) lassen sich gemeinsam Lieder spielen. Am Handrad kann man seine Muskelkraft prüfen und sich probehalber als Kalkant (Bälgetreter der Orgel) versuchen oder selbst „Hand und Fuß an die Tasten legen“. Der Eintritt ist frei.
Weitere Orgel-Führungen stehen beispielsweise in der St. Petrikirche Erfurt (14-17 Uhr), der Stadtkirche Eisenberg (15 Uhr) und der Kirche Helmershausen (Dom der Rhön, 14 Uhr) auf dem Programm.
In der Kirche St. Andreas in Ermstedt wird die Hesse-Orgel in einem Festgottesdienst nach mehr als 50 Jahren des Schweigens wieder eingeweiht (14 Uhr). Weitere Orgelkonzerte gibt es beispielsweise am 10. September in Bedheim in der Kilian Kirche auf zwei Orgeln mit Prof. Jan Kalfus aus Prag (17 Uhr) sowie am 11. September in der Ortskirche Keila mit Chormusik und Orgelspiel von Andre Kraft anlässlich dessen 30-jährigen Jubiläums als ehrenamtlicher Organist (16 Uhr) und mit verschiedenen Interpreten in der Ober-, Bach- und Liebfrauenkirche Arnstadt (15, 16 und 17 Uhr).
Am 10. September (15.30 Uhr) wird in der Suhler Hauptkirche zum Orgelkonzert für Kinder "Die Arche Noah" mit Christian Lusky (Sprecher) und Philipp Christ (Orgel) eingeladen. „Ein wahrhaft spannendes, bisweilen witziges Spektakel, das nicht nur Kinder faszinieren, sondern auch dem Bachkenner richtig Freude machen wird“, so die Ankündigung.
In der Stadtkirche St. Andreas in Rudolstadt spielt KMD Frank Bettenhausen an der historischen Ladegastorgel von 1882 Werke von Jones, Mendelssohn und Boellmann, im Anschluss folgt eine kurze Orgelführung (11.15 Uhr).
Eine Digitale Kirchenführung mit Orgelklängen gibt es für die Stadtkirche St. Andreas
Rudolstadt: Pfarrer Gisbert Stecher führt in Kurzvideos durch die Kirche und KMD Frank Bettenhausen präsentiert die historische Ladegastorgel mit Klangbeispielen.
In der Kirche Zum Frieden Gottes in Witzleben sind Kinder und Eltern um 16 Uhr zur musikalischen Spurensuche an der Orgel mit der Orgelmaus eingeladen. Von 14 bis 18 Uhr ist neben Quiz-, Bastel- und Imbiss-Angeboten eine Dokumentation zur Orgelrestaurierung zu sehen. Bereits am 10. September wird ein Stummfilm mit Orgelmusik gezeigt (20 Uhr).
Eine Musikalische Lesung „Martin im Sturm“ mit anschließender Orgelführung steht in der Stadtkirche Bad Salzungen auf dem Programm (15 Uhr).
Ausgewählte Veranstaltungen zum Orgeltag in Sachsen-Anhalt:
Die 52. Merseburger Orgeltage eröffnen am Samstag (10. September) mit einem Konzert (19 Uhr) mit Werken von Heinrich Schütz, Henry Purcell, Claudio Monteverdi und Johann Sebastian Bach. Es musizieren Davide Mariano aus Wien an der Ladegastorgel und der Rias Kammerchor unter Leitung von Justin Doyle.
Am Sonntagnachmittag (15 Uhr) gibt es im Merseburger Dom ein Familienkonzert mit Domorganist Michael Schönheit.
Im Kirchenkreis Haldensleben-Wolmirstedt wird am Samstagnachmittag (10. September) zur traditionellen Orgelwanderung eingeladen. Beginn (16 Uhr) ist in der Kirche in Satuelle, dort steht eine kleine, romantische Orgel des weltberühmten Orgelbauers Rühlmann aus Zörbig. Es spielt Kantor Matthias Müller, begleitet wird er von zwei herausragenden Sängerinnen - Cristel de Meulder, Sopranistin aus Antwerpen, und Julia Fercho, Kontraaltistin aus Braunschweig. Als weitere Stationen der Orgelwanderung folgen die Schlosskapelle in Bodendorf (17.30 Uhr) sowie die Kirche zu Ivenrode (19 Uhr).
In Naumburg erklingt zum Orgeltag in der Stadtkirche St. Wenzel Orgelmusik im Rahmen der Reihe Mittagsmusik (12 Uhr) „Orgel Punkt Zwölf“.
Auf der Rühlmann-Orgel der Lutherkirche in Halle spielt der in Schweden und Rumänien lebende Organist Gustav Jannert am Samstagabend (19 Uhr) im Rahmen der Herbstorgelkonzerte.
Die evangelisch-reformierte Domgemeinde in Halle lädt am Sonntag zu einem Orgelkonzert (17 Uhr) mit Ekaterina Leontjewa ein.
Hintergrund:
Der Orgeltag ist eine Initiative der Vereinigung der Orgelsachverständigen Deutschlands (VOD). „Orgelbau und Orgelmusik“ wurden 2017 von der UNESCO-Kommission zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt. Die Orgel gilt als das größte, vielfältigste und innovativste Musikinstrument.
In der EKM gibt es eine vielfältige Orgellandschaft. Sie spiegelt politische Entwicklung wieder, die von kleinen Fürstentümern geprägt war. In Thüringen stehen mehr als 2.000 Instrumente, prägende Orgelbauer wie Wender, Volckland, Silbermann, Trost, Strobel, Schulze und Ladegast haben hier gewirkt und es gab einflussreiche Musiktheoretiker und Organisten wie Jakob Adlung (1699-1762) in Erfurt und Johann Gottlob Töpfer (1791-1870) in Weimar. Heute sind in Thüringen fünf Meisterbetriebe im Orgelbauerhandwerk tätig: Werkstätte für Orgelbau Karl Brode (Heilbad Heiligenstadt), Orgelbau Kutter (Friedrichroda), Rösel Orgelbau (Saalfeld), Orgelbau Schönefeld (Stadtilm) und Orgelbau Waltershausen GmbH (Waltershausen).
Auch im Bereich von Sachsen-Anhalt gibt es wertvolle Instrumente, zum Beispiel die Scherer-Orgel in Tangermünde oder Orgeln des von Johann Sebastian Bach geförderten Zacharias Hildbrandt in Naumburg und Sangerhausen. Der Großteil der Instrumente wurde im 19. Jahrhundert erbaut. Bekannte Orgelbauer wie Ladegast, Weißenfels, Wäldner, Halle/Saale, Reubke, Hausneindorf und Rühlmann, Zörbig hatten in Sachsen-Anhalt ihre Werkstätten.
Weitere Informationen im Internet: www.orgeltag.de
Autor:susanne sobko |
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