Wie Phönix aus der Asche
Walldorf an der Werra: Vor sechs Jahren zerstörten die Flammen die Kirche der Kirchenburg. Seitdem baut die Gemeinde sie neu auf.
Von Harald Krille
Eines stellt Pfarrer Heinrich von Berlepsch gleich klar: »Über Geld und Termine reden wir nicht.« Stattdessen wolle man lieber »über Gott und über unseren Glauben reden«. Vielleicht steckt dahinter neben der löblichen Absicht, über Inhalte zu sprechen, auch die Erfahrung, dass Neid zuweilen als höchste Form der Anerkennung erfahrbar ist. Denn wer sich an die Bilder der rauchenden Trümmer der Kirchenburg in Walldorf an der Werra erinnert, die 2012 durch die Medien gingen, der ahnt, dass hier richtig viel Geld investiert wurde. Und noch immer wird: Denn abgeschlossen ist der Bau »unserer Kirche«, wie von Berlepsch betont, noch lange nicht.
»Unsere Kirche« ist für den Pfarrer nicht nur eine Floskel. Was heute und in Zukunft die Walldorfer Kirchenburg ausmacht, ist in einem langen Prozess zwischen Pfarrer, den Kirchenältesten, den Gemeindemitgliedern und den Bewohnern Walldorfs entstanden. Und natürlich in Gemeinschaft mit den Architekten, die sich auf diese Art eines »Bauens im Team« eingelassen haben.
Der Glaube, über den von Berlepsch gern reden möchte, wurde freilich auf eine harte Probe gestellt, als am 3. April 2012 die Flammen aus dem Kirchenschiff der gerade fünf Jahre zuvor vollständig sanierten Kirche schlugen. Von Berlepsch erinnert sich, wie er vor den Trümmern saß und die Frage stellte: »Warum hat Gott das zugelassen?« Seine zweite Frage war dann schon der erste Schritt in die Zukunft: »Was will Gott uns damit sagen?«
Für von Berlepsch war klar, dass die Kirche auf jeden Fall wieder aufgebaut werden muss. Auch wenn manche Formen im Blick auf Gemeindeaufbau im 21. Jahrhundert fragwürdig sind und neue Wege gesucht werden müssen: »Ohne Bindung an die Tradition gibt es auch keine Zukunft«, ist der Pfarrer überzeugt.
Für ihn und die im wahrsten Sinn des Wortes weinend vor ihrer Kirche stehenden Gemeindemitglieder wurden ausgerechnet die Dohlen zum Sinnbild für Hoffnung und Neubeginn: Auch ihre Nester im Dachstuhl waren ein Raub der Flammen. Doch schon zwei Tage später fingen sie an, neues Geäst als Nistmaterial in die Trümmer zu tragen. »Seht«, sagte der Pfarrer seiner Gemeinde, »genauso wie die Dohlen machen wir es auch. Wir bauen wieder auf!« Und deshalb zeigt eines der neuen Buntglasfenster des Leipziger Künstlers Julian Plodek eine Dohle, die mit einem Zweig im Schnabel auf einem verkohlten Balken sitzt.
Überhaupt Tiere und Pflanzen: Sie haben seit jeher ihren Platz auf der Kirchenburg. Und so wurde auch beim Neuaufbau darauf geachtet, dass Dohlen ihre Nester bauen können, ein seit Jahren im Gemäuer lebender Bienenschwarm seinen Platz behalten hat, dass Nisthöhlen für Meisen und Kleiber, Fluglöcher für Fledermäuse und ein Nistplatz für Störche entstanden.
Vor allem aber soll die Kirche für Menschen offenstehen. Als Radwegekirche am Werra-Radweg, als Kinder- und Jugendkirchenburg für die junge Generation, die auf dem Areal Möglichkeiten für Zeltlager und sportliche Betätigung findet, für Gottesdienste und fröhliche Feste, für Begegnungen aller Art. »Das ist unser großes Thema: Begegnung. Wir wollen als Christen Menschen begegnen, auch denen, die mit Kirche vielleicht nichts am Hut haben«, so von Berlepsch. Denn Begegnung verwandelt Menschen – auch die, die schon zur Gemeinde gehören.
Eine Terminaussage lässt sich Pfarrer von Berlepsch dann doch noch abringen: Ab 1. Juli des kommenden Jahres sei er im Ruhestand. Und davor werde die Kirche offiziell wieder eingeweiht. Manches wird bis dahin vielleicht noch nicht komplett sein. Aber ein Altartisch und eine Christusfigur werden dann den Innenraum schmücken. Ein Bildhauer wird sie bis dahin gestalten. Entstehen sollen sie aus dem Holz der angekohlten Balken, die seit der Beräumung der Brandtrümmer auf der Kirchenburg lagern.
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