Medizin
Organspende: Mit Herz und Lunge eines Verstorbenen weitermachen
Dass bei einem Menschen Herz und Lungenflügel transplantiert werden, ist sehr selten. 2021 wurde dieser Eingriff nur bei zwei Patienten in Deutschland vorgenommen. Einer von ihnen ist Maik Müller. Ohne die Operation würde er wohl nicht mehr leben.
Von Insa van den Berg (epd)
Beim Staubsaugen trage er eine Maske, erzählt Maik Müller. Salami esse er leider nicht mehr. Er wechsele täglich die Handtücher. Der 58-Jährige nimmt viele Medikamente, fährt regelmäßig zu Nachsorge-Untersuchungen. Als Bühnenbauer kann er nicht mehr arbeiten. Und dennoch: «Ich fühle mich wie neugeboren. Vor dem Eingriff hing ich nur noch am Sauerstoff, konnte mich wegen des Hustens und der Luftnot nicht einmal unterhalten.»
Im März 2021 hat Müller Herz und Lungen eines verstorbenen Menschen erhalten. Und nun hofft er, dass diese Organe ihn - vor allem für seine drei Töchter - noch lange weiterleben lassen. Dafür hält Müller sich an viele Regeln, die sein Infektionsrisiko und damit eine Abstoßung der Organe verringern sollen.
Herz-Lungen-Transplantierte müssten im besonderen Maß auf Hygiene achten, erklärt Burkhard Tapp vom Bundesverband der Organtransplantierten. «Speisen wie Sushi, Mett oder Tiramisu sind für alle Organtransplantierten wegen Salmonellengefahr tabu.» Walnüsse oder Pistazien seien aufgrund der häufigen Belastung mit Schimmelpilzen gefährlich.
Wenn Herz und Lunge so weit geschädigt sind, dass keine Aussicht auf Heilung besteht, kommen Patienten grundsätzlich als Organempfänger infrage. Voraussetzungen sind umfangreiche Untersuchungen, die zum Beispiel sicherstellen, dass Niere und Leber möglichst einwandfrei funktionieren.
Dass sowohl Herz als auch Lungenflügel transplantiert werden, ist sehr selten. 2022 gab es in Deutschland fünf solcher Eingriffe, 2021 zwei - einer davon wurde bei Müller vorgenommen. «Vielen Patienten können wir stattdessen mit einer Lungentransplantation helfen», erläutert René Schramm von der Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie am Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen der Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum.
Der Professor führt regelmäßig Organtransplantationen durch. «Am anspruchsvollsten für uns Chirurgen ist die kombinierte Herz-Lungen-Transplantation, wenn der Patient vorher eine Überbrückung wie ein Kunstherz brauchte. Er ist mindestens einmal operiert und es kann Verwachsungen geben.»
Allerdings seien die möglichen Empfänger so gut untersucht, dass die Ärzte gut und genau sagen könnten, wie es im Brustkorb der Patienten aussehe - «weil wir verpflichtet sind, nach dem erwartbaren Transplantationsvorteil zu entscheiden.» Das bedeutet, dass die Organspende das Leben des Empfängers verlängern und verbessern muss.
Tim Sandhaus vom Universitätsklinikum Jena war einer der Ärzte, die Maik Müller operiert haben. Die Operation habe mehr als fünf Stunden gedauert. «Hauptursächlich für die kombinierte Herz-Lungen-Transplantation war das nicht mehr funktionstüchtige Herz.» Seine Lunge sei wie versteinert gewesen, sagt Müller. Schon als Kind habe er Atemprobleme gehabt, im Alter von 40 Jahren einen Herzinfarkt.
Der erste Schritt im gesamten Organspende-Prozess ist, einen geeigneten Spender oder eine Spenderin zu finden. Die Stiftung Eurotransplant vermittelt in acht europäischen Ländern Spenderorgane und arbeitet dazu eng mit Krankenhäusern zusammen. Das heißt, dass bei Eurotransplant Menschen auf einer Liste stehen, die dringend Organe benötigen, und Krankenhäuser Eurotransplant informieren, wenn Organe gespendet werden könnten. Müller stand ein halbes Jahr lang auf der Liste. «Ich hatte Todesangst, auch vor dem Eingriff», sagt er.
Auf Seiten der Spender und Spenderinnen gilt, dass deren Gehirnfunktionen unumkehrbar erloschen sein müssen. «Irreversibler Hirnfunktionsausfall», sagen Mediziner dazu. Und die Patienten oder deren Angehörige müssen ihr Einverständnis zur Spende gegeben haben. All das regeln neben dem Transplantationsgesetz etliche Rechtsverordnungen und Richtlinien.
Ob in Deutschland jemand Organe spenden möchte oder nicht, kann mit einem Organspendeausweis oder in einer Patientenverfügung festgehalten werden. Liegt weder das eine noch das andere vor, müssen aufgrund der geltenden Entscheidungslösung im Ernstfall die Angehörigen die Wahl treffen. Und sie entscheiden sich laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation aus Unsicherheit oft dagegen.
Laut einer Repräsentativbefragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 2022 haben 44 Prozent der Befragten ihren Entschluss in einem Organspendeausweis, einer Patientenverfügung oder in beidem dokumentiert. Müller erzählt von sich: «Wenn mich meine Hausärztin vor über 20 Jahren nicht darauf angesprochen hätte, hätte ich den Ausweis nicht ausgefüllt.»
Autor:Katja Schmidtke |
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