Gemeindediakonie vor neuen Aufgaben
Richtiger Zeitpunkt
Von Angela Stoye
Für Oberkirchenrat Christoph Stolte war es eine Premiere. Der Theologe und Sozialmanager, der seit Juli 2017 Vorstandsvorsitzender der Diakonie Mitteldeutschland ist, stellte sich Ende Mai mit einem Vortrag der in Dessau-Roßlau tagenden Landessynode vor. Ein Schwerpunkt seiner Ausführungen war die künftige Ausgestaltung der Gemeindediakonie im neu entstehenden »Anhaltischen Verbundsystem«. Er und der anhaltische Landespfarrer für Diakonie, Peter Nietzer, sind der Auffassung, dass jetzt der rechte Zeitpunkt gekommen sei, die diakonische Dimension von Kirchengemeinden weiterzuentwickeln.
Ein hoher Bedarf sei jedenfalls da. Denn es werde künftig immer mehr Menschen geben, die von ambulanten Diensten zu Hause betreut und gepflegt würden. »Die Schwestern und Pfleger haben jedoch nicht im Ansatz genügend Zeit, sich den bedürftigen Menschen auch persönlich zu widmen«, so der Diakoniechef. Die meiste Zeit des Tages seien diese Menschen allein. Diakonisch Mitarbeitende von Kirchengemeinden könnten – als Ergänzung zu den spezialisierten Diensten – helfen, dass sich Menschen mit Beeinträchtigungen wieder stärker am gesellschaftlichen Leben und dem der Kirchengemeinde beteiligen. Als Beispiele dafür, was Kirchenge-
meinden tun könnten, nannte Stolte Seniorencafés oder organisierte Nachbarschaftshilfe.
Der Diakoniechef verwies in dem Zusammenhang auch auf den Paradigmenwechsel in der sozialen Arbeit. »Nicht mehr der vordefinierte Leistungskomplex, das Leistungsangebot gemäß Sozialgesetzbuch und das Fachwissen des Experten sind entscheidend, sondern was der Einzelne benötigt, damit er es als Hilfe erlebt«, so Stolte. »In der Fachsprache nennen wir dies personenzen-
trierte Leistung beziehungsweise die subjektiv erfahrene Ergebnisqualität des Klienten.« Und da gehe es nicht um Größe oder Umfang, sondern um elementarere Hilfen.
Die Kirchengemeinden mit ihren Räumen seien oftmals die letzten offenen Orte der Begegnung und des Gesprächs. »Doch darin liegen ein besonderer Wert und eine besondere Chance«, so Christoph Stolte. Daher gelte es neu zu überlegen, wie die Räume einer Kirchengemeinde zu Begegnungsorten werden können. Stolte ging auch auf die Situation in den Kirchengemeinden ein, in denen Ehrenamtliche an der Belastungsgrenze seien. Er und Nietzer sind davon überzeugt, dass es weitere Menschen in Dörfern oder Stadtteilen gibt, die sich diakonisch engagieren würden, »wenn es sie innerlich anspricht«. Dafür müssten neue Formen des zeitlich begrenzten Einsatzes, der Begleitung und Wertschätzung gefunden werden.
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