Gottesdienst als Heimat
Die Melodien und Rhythmen, die Intensität und Ernsthaftigkeit setzen sich dauerhaft im Gedächtnis fest, wenn man einmal Sonntagmorgen einen Gottesdienst eritreischer Christen besucht hat.
Von Mirjam Petermann
Es ist anders. Andächtiger, intensiver, aber auch ausgelassener feiern Eritreer Gottesdienst. Teame Beraki ist der Diakon der kleinen eritreischen Gemeinde. Aus seinem Heimatland ist er wegen des Militärdienstes geflohen. Für ihn als Christ war das keine Option. »Ich kann nicht zurück«, sagt er. Die deutsche Sprache fällt ihm noch schwer, vor allem was das theologische Vokabular angeht.
Sein Schicksal – die Flucht vor dem Militärdienst – teilt er mit einigen der anderen. Fünf oder sechs Eritreer sind noch minderjährig. Seit Anfang April treffen sie sich regelmäßig in Eisenachs Kirchen und Gemeinderäumen zum Gottesdienst. Den ersten Kontakt suchten sie in der zentralen Georgenkirche am Markt. Küster Andreas Börner lud sie für den nächsten Sonntag zum Gottesdienst ein. Doch da verstanden sie recht wenig und fragten nach der Möglichkeit, im Anschluss ihren eigenen Gottesdienst feiern zu können. Das war zunächst kein Problem. Doch mit dem Frühling kamen auch mehr Touristen, die das Gebet, den Tanz und den Gesang der dunkelhäutigen Männer und Frauen nicht für voll nahmen und trotzdem durch den Altarraum liefen. Danach begann für die Eritreer eine kleine Odyssee durch Eisenachs Kirchenräume.
Ihr nächster Treffpunkt wurde die weniger frequentierte Nikolaikirche, bis ein weiteres Problem zur Sprache kam: Eritreische Christen essen bis zum Gottesdienstende nichts. Wenn also ihr Gottesdienst frühestens 10.30 Uhr nach dem deutschen Gottesdienst beginnt und dieser zwei Stunden und länger dauert, war der Hunger groß und die Konzentration am Ende. Also wurden weitere Lösungen gesucht und über Umwege auch gefunden. Ein Andachtsraum im Schulgebäude des Diakonischen Bildungsinstituts, etwas außerhalb der Stadt. Ruhe und Zeit haben die 20 bis 25 eritreischen Christen hier, aber für ihre Vorstellungen eben keine »richtige« Kirche, sagt Andreas Börner.
Der Diakon ist die einzige Schnittstelle zwischen den Christen aus Eritrea und Eisenachs Kirchengemeinde. Teame Beraki sagt, »er ist ein guter Mann«. In der eigenen Gemeinde wird Börner als Eritrea-Beauftragter bezeichnet – ein Job für den eigentlich keine Kapazitäten da sind. Es ist für ihn unverständlich, dass die Geflüchteten weder auf staatlicher noch auf kirchlicher Seite für solche religiösen Angelegenheiten einen Ansprechpartner haben. »Wenn es Christen sind, muss sich die Kirche auch kümmern«, findet er. Die Kontaktaufnahme der Kirchengemeinde »läuft leider nicht so, wie ich es mir wünsche«, sagt er.
Woran das liegt, dafür gibt es mehrere Erklärungsansätze für Pfarrer Stephan Köhler, stellvertretender Gemeindekirchenratsvorsitzender. Konkrete Wünsche um Kontakte über die kirchliche Verbundenheit hinaus habe er von anderen Geflüchteten schon vernommen, jedoch nicht von den Eritreern. »Ich habe nicht das Gefühl, dass weiterer Anschluss gesucht wird«, so Köhler. Für ihn liegt der Grund dafür in der geschlossenen Gemeinschaft, die sie bilden. »Es wird in den Gottesdiensten spürbar, dass es für sie ein Stück Zuhause ist«, sagt er. Dafür spreche auch die Regelmäßigkeit und große Zahl der Gottesdienstbesucher. Sein Ziel ist es, die Eritreer zu ökumenischen Veranstaltungen einzuladen und das Miteinander in ähnliche Bahnen wie mit der katholischen Kirche oder den Freikirchen der Stadt zu lenken.
Köhler bemerkt aber auch, dass die Kirchengemeinde dieses Jahr aufgrund des Reformationsjubiläums sehr beansprucht sei. Wegen der zahlreichen Besucher und Veranstaltungen sind kaum noch Reserven vorhanden. Das zeigt sich auch am Freundeskreis Asyl der Kirchengemeinde. Der befindet sich derzeit »in einer Umorientierungsphase und es gab längere Zeit keine Treffen«, so der bisherige ehrenamtliche Verantwortliche Stefan Brinkel. Seit dem 1. Juli gibt es eine Stelle für kirchliche Sozialarbeit im Kirchenkreis Eisenach-Gerstungen. Den Posten übernahm Maike Röder, bis dato Migrationsberaterin bei der Diakonie. Für sie könnte der Kontakt mit den Eritreern ein Bestandteil ihrer Arbeit werden. Inwieweit das ausbaufähig sei, müsse man schauen, so Röder.
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