Jubiläum
Etappenziel Radfahrerkirche
Festtag: Steckby, die erste Radfahrerkirche in Anhalt, feiert ihr zehnjähriges Jubiläum. Für Reinhard Hillig doppelter Grund zum Rückblick, denn zwei Wochen später wird der Gemeindepfarrer in den Ruhestand verabschiedet.
Von Angela Stoye
Wenn sich am 13. Mai die Besucher zum Gottesdienst in der Kirche in Steckby im Kirchenkreis Zerbst versammeln, loben sie Gott und feiern auch eine Erfolgsgeschichte. Vor zehn Jahren nämlich wurde das kurz zuvor fertig sanierte Gotteshaus in dem Dorf am Elberadweg feierlich als erste Radfahrerkirche in der Landeskirche Anhalts in Dienst gestellt. Die Landeskirche folgte damit einem Trend, der mit der Eröffnung der ersten Radfahrerkirche im Juli 2003 in Weßnig bei Torgau in der Kirchenprovinz Sachsen begann. Inzwischen gibt es hunderte Radwegekirchen in Deutschland. Auch in Anhalt sind seit dem 4. Mai 2008 weitere hinzugekommen, zum Beispiel die Kirchen in Dessau-Großkühnau oder in Opperode, einem Stadtteil von Ballenstedt im Harz.
»Wir sind wohl die bedeutendste«, schätzt Pfarrer Reinhard Hillig ein. Und das sei der Lage am Elberadweg zu verdanken. Diese sei auch damals der Beweggrund für den Gemeindekirchenrat gewesen, die Kirche dem besonderen Zweck zu widmen. Insgesamt kamen in den vergangenen zehn Jahren rund 13 500 Besucher in die Kirche. Darunter war mit 2013 auch ein Jahr, in dem wegen des Elbe-Hochwassers kaum Gäste zu verzeichnen waren. 2017 kamen etwa 700 Besucher nach Steckby. Unter den »Inländern« führen die Sachsen die Statistik an, gefolgt von Radlern aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. »Schlusslichter« sind Bremen, die Region Hamburg und das Saarland.
Rund elf Prozent aller Besucher kamen 2017 aus dem Ausland, und damit etwas weniger als bisher. In der Länderwertung verzeichnet die Statistik jedoch starke Unterschiede. Die meisten Radler, nämlich 30 Prozent, kamen 2017 aus den Niederlanden, gefolgt von Tschechien und der Schweiz (je 21 Prozent). Über die Jahre jedoch stellen Radler aus der Schweiz die größte Gruppe. 2017 legten Finnland und Italien zu (14 und 10 Prozent). Alle Besucher werden gebeten, auf einer großen Karte im Vorraum der Kirche ihren Heimatort einzutragen. Und die Eintragungen im Anliegenbuch zeigen, dass die Besucher ihre Freude an der bis zum Reformationstag täglich für zwölf Stunden geöffneten Kirche haben.
Manchmal tragen sie auch ihren Dank ein, wie »ein gläubiger Mensch aus Bernburg«, der bei einer Tour zusammen mit einer Gruppe auf dem nicht abgesperrten Radweg in eine Jagd geriet und das Erlebnis im Buch festhielt: Er beschrieb seine Angst und dankte »Gott und seinen Engeln«, dass sie vor Schaden bewahrt wurden. »Das ist nicht erfunden«, versichert der Pfarrer. Ein Jäger aus dem Ort habe ihm später den Jagdtermin bestätigt.
Abschied aus dem Pfarrdienst
Ebenfalls nicht erfunden, sondern wahr: Nach gut zwölf Jahren im Kirchenkreis Zerbst wird Reinhard Hillig am 27. Mai in den Ruhestand verabschiedet. Seine Frau Angela, die zuletzt als Kreisbeauftragte für Gemeindepädagogik im Kirchenkreis Zerbst tätig war, ist seit Oktober 2017 in der Freistellungsphase ihrer Altersteilzeit.
Das (Berufs-)Leben des Ehepaares lässt sich durchaus mit einer Radfahrt vergleichen, die mal über anstrengende Steigungen, mal über gerade Strecken führte. Beide stammen aus christlichen Elternhäusern in Sachsen – sie aus Lauter, er aus Aue im Erzgebirge. Beide mussten wegen ihrer Herkunft und ihres Bekenntnisses Nachteile in Kauf nehmen. Trotz sehr guter Leistungen durfte Angela Hillig nicht studieren. Als in der DDR wegen ihres Glaubens verfolgte Schülerin ist sie heute anerkannt. Sie wurde medizinisch-technische Assistentin, begann 1995 nebenberuflich als Katechetin zu arbeiten und ließ sich zur Gemeindepädagogin ausbilden.
Reinhard Hillig ist ehemaliger Bausoldat, gelernter Zimmermann und begann nach sechs Jahren in diesem Beruf eine Predigerausbildung am (nicht mehr bestehenden) Theologischen Seminar des Gnadauer Verbandes in Falkenberg/Mark.
Das Ehepaar Hillig arbeitete unter anderem im Diakonissenhaus im brandenburgischen Teltow. Sechs Jahre nach einem Ausreiseantrag durfte es mit seinen Kindern die DDR in Richtung Baden-Württemberg verlassen. 1991 kehrten Hilligs in den Osten zurück – und zwar nach Anhalt.
Die erste Station war Hoym im Kirchenkreis Ballenstedt, wo Reinhard Hillig ins Vikariat ging und 1993 ordiniert wurde. 2006 wechselte das Paar in den Kirchenkreis Zerbst, wo Reinhard Hillig Pfarrer in Steutz und weiteren Orten wurde. Ab 2009 kamen Pfarrdienst in der Trinitatisgemeinde Zerbst und ab Herst 2011 in der dazugehörigen Parochie hinzu. Angela Hillig arbeitete als Gemeindepädagogin zum Teil auch im Kirchenkreis Dessau.
Und nun der Ruhestand, der für das Ehepaar Hillig im Juni den Umzug ins Erzgebirge in die Nähe des Fichtelberges bringt. In der dortigen Kirchengemeinde werden beide sicher Aufgaben übernehmen. Sie freuen sich schon darauf, mehr Zeit für ihre vier Kinder und deren Familien mit den inzwischen sieben Enkelkindern zu haben. Und eine große Reise rückt in greifbare Nähe: nach Südafrika, in die Heimat eines Schwiegersohnes.
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.