Nicht das Paradies, aber ein Anfang
Sie sind sich einig: »Es waren Monate, die mit zur schönsten Zeit in unserem Leben gehören«, sagen Adelheid und Hans Mikosch unisono.
Von Wolfgang Hesse
Hans Mikosch war bis zu seiner Pensionierung Regionalbischof für den Propstsprengel Gera-Weimar, seine Frau arbeitete als Klinikseelsorgerin im Geraer Klinikum.
2013 lebte das Pfarrerehepaar sechs Monate im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Südafrika und Namibia. Beide hatten den Studienauftrag, während ihres tagtäglichen Engagements in einer evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde den Wandel nach der Apartheid und der Diktatur in Südafrika zu recherchieren. Dabei sollte auch das Wirken der Wahrheits- und Versöhnungskommission berücksichtigt werden.
Mit der politischen Wende in Südafrika und der Amtsübernahme durch Präsident Nelson Mandela wurde diese Kommission 1996 zur Untersuchung von politisch motivierten Verbrechen während der Zeit der Apartheid eingesetzt. Vorsitzender war der schwarze Erzbischof und Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu. Bis 1998 wurden Tausende Täter aller Volksgruppen unabhängig von der Hautfarbe in aller Öffentlichkeit mit ihren Opfern konfrontiert. Obwohl dabei die Apartheid nicht vollends aufgearbeitet werden konnte, wurde viel für die Versöhnung zwischen den einzelnen Volksgruppen getan. So etwas hätte sich Propst i. R. Hans Mikosch auch in Deutschland im Zuge der Wiedervereinigung gewünscht, ist von ihm zu erfahren.
Etwa 36 000 Kilometer war Hans Mikosch in Südafrika quer durchs Land unterwegs. In Gemeinden, während Hausbesuchen und seelsorgerlicher Arbeit in Krankenhäusern konnten beide sich ein Urteil über die politische und soziale Situation des heutigen Südafrikas bilden, sein Fazit: Die Apartheid ist immer noch sichtbar. »Große Teile der schwarzen Bevölkerung sind bettelarm und die Kriminalität durch die große soziale Schere zwischen Arm und Reich ist sehr hoch«, so Mikosch.
Die Apartheid der Weißen sei schlimm gewesen, sagt Hans Mikosch, dennoch erkenne man nun eine leicht umgekehrte Tendenz. »Die sozialistische Regierung mit stark kommunistischem Einfluss benachteiligt die weiße Volksgruppe. Wichtige Ämter in den öffentlichen Verwaltungen werden mit Schwarzen und dabei vorrangig mit Frauen besetzt«, erklärt er. »Die Kluft zwischen dem Modernen, dem Luxus und der bitteren Armut ist groß und wird durch Korruption und privilegierte Parteifunktionäre gefördert.«
Dennoch, so Mikosch, habe er sehr viel Hoffnung gesehen und erlebt. »Wir haben in Pretoria für eine Gemeinde gearbeitet – und das ist einmalig für Südafrika – in der alle Volksgruppen unabhängig der Hautfarbe vertreten sind. Es gibt einen gemeinsamen Gemeindekirchenrat«, erzählt Hans Mikosch. Identitätsstiftend sei dabei die Sprache. So fanden an jedem Sonntag drei Gottesdienste statt – in Deutsch, Englisch und Afrikaans, der Sprache der aus den Niederlanden stammenden Buren. Der Pfarrer ist für die geistlichen Belange und der Gemeindekirchenrat für die wirtschaftlichen Belange zuständig. »Eine Kirche kann mit bescheideneren Mitteln auskommen und sie baut sich von unten, aus der Gemeinde heraus, auf«, hat Hans Mikosch festgestellt. »Wir haben gesehen, dass es möglich ist, ein intensives Engagement der Ehrenamtlichen zu fördern«, ergänzt seine Frau.
Beide sind überwältigt von der Freundlichkeit der Menschen: »Wir haben das selten im Leben in solch einer Fülle erlebt und fühlten uns dort nach wenigen Tagen wie zuhause«, sagt Adelheid Mikosch. Ihr Mann betont: »Das Miteinander, das wir zwischen den Bevölkerungsgruppen bemerkt haben, ist zwar nicht das Paradies, aber es ist ein Anfang«, so Mikosch.
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