Die Situation der Christen im Irak
Hintergrundinformationen zum Reminiscere-Sonntag 2025

Foto: C. Kurzke priv.
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Als 2014 in Mossul der Islamische Staat ausgerufen wurde, hatte deren Ideologie längst in extremistisch sunnitischen Kreisen Fuß gefasst. Schon Jahre zuvor kam es immer wieder zu Bedrohungen, Entführungen und Gewalttaten gegenüber religiösen Minderheiten im ganzen Land. Binnen kürzester Zeit wurden 2014 weite Teile des Landes und auch Syriens unter militärische und ideologische Kontrolle des IS gestellt. Hunderttausende flohen vor Regime, darunter vor allem Jeziden und Christen. An den Checkpoints des IS wurde Christen bestohlen und bedroht, aber anders als bei den Jeziden konnten sie lebend passieren, ja sogar bleiben, wenn sie bereit waren, eine „Kopfsteuer“ – die Jizra zu zahlen und die Regeln des IS-Islam akzeptieren. Jeziden jedoch wurden gejagt und getötet in einem nicht vorstellbaren Genozid an dieser Religionsgemeinschaft. Bis heute werden noch immer Massengräber in der Sinjarregion gefunden, dorthin wohin der IS die Menschen bei sengender Hitze im August 2014 getrieben hatte. Jezidische Frauen und Mädchen wurden versklavt und zum Zwecke sexueller Ausbeutung an verdiente IS-Kämpfer verkauft. Jezidische Heiligtümer wurden systematisch zerstört. Auch christliche Kirchen, Kreuze, uralte Schriften, Reliquien und Heiligenstatuen wurden geschändet.

Das Ziel des IS war es, alle vorislamischen Religionen und ihre reiche Geschichte von religiöser Vielfalt im Irak ein für allemal zu löschen. Einst rein christliche Vorstädte Mossuls wie Bartella erholen sich nach dem Ende des IS-Regimes nur zögerlich vom Exodus ihrer Bewohner. Vor dem IS gab es hier 3500 christliche Familien, jetzt sind dort immerhin 1500 wieder zurückgekehrt. Doch die christliche Präsenz in Mossul selbst ist nahezu erloschen und nur noch museal vorhanden. Der IS ist heute zwar militärisch besiegt, aber der IS in den Köpfen, so sagen es immer wieder Menschen, ist immer noch da.

Von 18 Provinzen im Irak leben heute nur noch in 7 Provinzen Christen. Die größte Konzentration findet sich in den nördlichen Provinzen in Dohuk und Erbil, insbesondere in Ankawa und in der Ninive-Ebene. Jesiden sind ebenso im Nordirak zuhause. Dort befindet sich auch das zentrale Heiligtum dieser Gemeinschaft in Lalesh.
Aufgrund von rasanter Migration nach Europa, Amerika und Australien gehören heute nur noch 0,6% der irakischen Bevölkerung einer christlichen Religionsgemeinschaft an, Tendenz fallend. 2025 gibt es bei ca 44. Mio Einwohner insgesamt nur noch 265.000 Christen zwischen Euphrat und Tigris. Die größten christlichen Gemeinschaften bilden die chaldäische Kirche und assyrische Kirche des Ostens. Daneben gibt es armenische und syrisch- orthodoxe Christen. Bis heute gibt es im Irak kein Gremium, in dem all diese christlichen Gemeinschaften ökumenisch zusammenarbeiten. Es schadet der christlichen Präsenz und der Einheit insgesamt, wenn Streitereien und uralte christologisch- dogmatische Trennungen zwischen den Kirchen immer wieder öffentlich ausgetragen werden.

„Wir leben unter dem Islam, nicht mit dem Islam.“ So sagte es Emanuel Youkhana, Direktor von CAPNI und Archimandrit der Assyrischen Kirche des Ostens. Der Irak geht in den letzten Jahren immer mehr in Richtung eines Scharia-Staates. Der Einfluss des Iran ist groß. Hier einige Beispiele: Im Irak steht es unter Strafe, jedwede Beziehungen mit Israelis (auch online) zu unterhalten. Der Ferienkalender sieht nur muslimische- und Staatsfeiertage vor. Es gibt keine yezidischen oder mandäischen Feiertage. Für Christen gibt es nur für Mitglieder ihrer Gemeinschaft wenige und diese sind eng lokal begrenzt. Wenn aus einer nichtmuslimischen Familie nur einer zum Islam konvertiert, wird nach irakischem Recht die gesamte Familie als muslimisch registriert. Jüngst wurde ein sehr strenges Alkoholgesetz verabschiedet, das den Verkauf, der nur durch Nichtmuslime erfolgen darf, verbietet. In Bagdad sind Alkoholläden hinter schweren Eisentüren versteckt, ein Betreten ist dort nicht mehr möglich. In Kurdistan wird dieses Gesetz allerdings lockerer gesehen.

Youkhana sagt: „Wir als Christen jammern viel im Irak, sehen aber nicht unsere Chancen.“ Denn die gibt es auch in der Geschichte dieses Landes und in der Gegenwart. Seit vielen Jahrzehnten sind christliche Institutionen im Land wie Krankenhäuser oder Schulen auch bei Nichtchristen hoch anerkannt. Selbst die renommierte Bagdader Universität war einst eine Gründung des Jesuitenordens. Christen haben ökonomische Ressourcen und Know-How und leisten viel für den wirtschaftlichen Aufbau des Landes. Sie haben eine große weltweite Diaspora hinter sich. Im Unterscheid zu den Jesiden sind sie viel stärker und enger mit Geschwistern im selben Glauben, mit christlichen Gemeinschaften und Organisationen vernetzt, die wiederum Lobbyarbeit für ihr Land leisten können. Christen weltweit wissen: Gäbe es die jüdisch-christlichen Wurzeln im Zweistromland nicht, dort wo die Propheten Jona und Nahum wirkten, sähe auch ihr eigenes Christsein ganz anders aus. Wir bleiben mit den Christen zwischen Euphrat und Tigris in Gebet und im Teilen verbunden.

Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland unterstützt seit 2014 die Hilfsarbeit der größten christlichen Hilfsorganisation im Nordirak, CAPNI. Informationen dazu finden Sie auf der Homepage des Lothar-Kreyssig-Ökumenezentrums: https://www.oekumenezentrum-ekm.de/oekumenezentrum/nahostpartnerschaft/aktuelles
Weitere Hintergrundinformationen zur Situation von irakischen Christen und Jesiden und Material zum Reminiscere-Sonntag 2025 finden Sie hier: https://www.ekd.de/reminiszere-2025-verfolgte-christen-irak-jesiden-86296.htm

Foto: C. Kurzke priv.
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Autor:

Christian Kurzke

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