Neue Glocken für Rothenstein
Dem Schwingungsgutachten sei Dank
Die St. Wenzelskirche in Rothenstein im Kirchenkreis Jena hat neue Glocken. Das Geläut soll zum Ostergottesdienst mit Landesbischof Friedrich Kramer geweiht werden. Erstmals sollen dann die vier Bronzeglocken auch erklingen.
Von Doris Weilandt
Vor wenigen Wochen feierte Rothenstein mit zahlreichen Gästen die Glockeneinholung. Pfarrer Sieghard Knopsmeier führte vom ersten Wagen die Tranktorenprozession an, welche die mit Kränzen geschmückten Glocken durch Rothenstein und das benachbarte Oelknitz zog. Nachdem ehemalige Glöckner Stimmproben anschlugen, wurden die Glocken mit einem Kran in den Glockenstuhl gehoben, der eigens für das neue Geläut im Innern des Turms errichtet worden war.
Mit den Glöcknern begann auch die Geschichte um den Neuguss. In Rothenstein hätten immer Konfirmanden die Glocken geläutet, berichtet der Pfarrer. Eisenhartgussglocken waren das, die 1919 als Ersatz für die im Ersten Weltkrieg eingeschmolzenen Bronzeglocken in die Kirche kamen. Da sich im Verlauf der Jahre niemand mehr zum regelmäßigen Läuten fand, beschloss die Kirchengemeinde 2017, auf elektrischen Betrieb umzusteigen. „Eigentlich sollte nur eine Läutemaschine für 7000 Euro eingebaut werden“, erinnert sich Pfarrer Knopsmeier. Das beauftragte Schwingungsgutachten ergab, dass der hölzerne Turm der statischen Belastung nicht gewachsen ist und ein neuer Glockenstuhl eingezogen werden müsste. Danach schwiegen drei der vier Glocken.
In der Kirchengemeinde stellte man nun grundlegende Überlegungen an. Das Problem mit der Statik ließ sich nur auf einem Weg aus der Welt schaffen: Die Schwingungen des Glockenstuhls würden durch eine Unterkonstruktion auf das Mauerwerk des Turmes abgeleitet werden müssen. Aber die gusseisernen Glocken waren dafür zu schwer. Außerdem würde ihre Haltbarkeit 100 Jahre nicht wesentlich übersteigen. Die Lösung konnte nur der Neuguss des gesamten Geläuts sein.
So wurde aus der ursprünglich überschaubaren Unternehmung ein großes Projekt, das die Kirchengemeinde gefordert hat. Eine Stifteraktion wurde ins Leben gerufen, Fördermittel eingeworben und die eigenen Reserven eingesetzt, um die Summe von 115 000 Euro zu stemmen. Pfarrer Knopsmeier lächelt glücklich, wenn er an die 79 Spender und sieben institutionellen Förderer denkt, die die Kirchengemeinde unterstützt haben. Die erste größere Summe kam von einem Rothensteiner, der den vollen Glockenklang vermisste. Familie Andratschke, die ihre Wurzeln im Dorf hat, hat die kleinste Glocke allein gestiftet.
In die neuen Glocken, die bei Perner in Passau gegossen wurden, ist ein Teil der Geschichte der Rothensteiner Wenzelkirche eingeschrieben. Vier Evangelistensymbole, die von Buntglasfenstern im Chor stammen, bilden die Glockenzier. Die künstlerische Gestaltung schuf Fritz Körner in den späten 1940er-Jahren. „Die ursprünglichen Fenster wurden durch die Druckwelle, die bei der Sprengung der Saalebrücke in den letzten Kriegstagen entstand, zerstört“, erzählt Knopsmeier. Nach den Originalen vor Ort und Zeichnungen der Körner-Vorlagen, die im Landeskirchenarchiv verwahrt werden, sind die bronzenen Reliefs entstanden.
Der Evangelist Lukas, durch einen Stier verkörpert, ziert die größte, die Friedens- und Hochzeitsglocke. Ein Engel, Symbol des Evangelisten Matthäus, kennzeichnet die „Vater-unser-Glocke“, die die Tageszeiten ankündigt und zum Gebet ruft. Auf der Tauf- und Konfirmationsglocke ist der Löwe für den Evangelisten Markus abgebildet, und auf der Hoffnungs- und Totenglocke der Adler, Symbol für Johannes.
Am Ostersonntag werden sie im neuen Glockenstuhl des hölzernen Turms erklingen. Von „einem Meisterwerk der Zimmermannskunst“ spricht Pfarrer Knopsmeier bei der Besichtigung der gewaltigen Balkenkonstruktion, für deren Zusammenhalt kaum Metall verwendet wurde. Auch darauf ist die Kirchengemeine stolz. Die größte der Gussglocken bleibt im Turm hängen. Sie ist Refugium für eine Fledermaus-Population der Hufeisennase.
Nach Ostern widmet sich Pfarrer Knopsmeier mit seiner Mauaer Kirchengemeinde der nächsten großen Aufgabe: der Wiederherstellung des Dreiergeläuts in der dortigen Kirche. Eine der Glocken, die wegen ihrer nationalsozialistischen Symbolik herausgenommen wurde, wird gerade im Eisenacher Lutherhaus gezeigt.
Die Glockenweihe wird mit einem Gottesdienst mit Landesbischof Friedrich Kramer am 17. April, 10 Uhr, gefeiert.
Autor:Online-Redaktion |
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