Zerstörung Magdeburgs 1945
80 Jahre nach dem Inferno
Vor 80 Jahren versanken kurz vor Kriegsende zahlreiche deutsche Städte in Schutt und Asche. Am 16. Januar wurde die Magdeburger Innenstadt durch einen verheerenden Angriff zerstört. Das diesjährige Gedenken fällt in eine besondere Phase der Trauer.
Magdeburg (epd). Am 16. Januar 1945 um 21.28 Uhr brach das Inferno über Magdeburg herein. Britische Bomber griffen die Stadt an der Elbe an. Nach 39 Minuten war die Innenstadt, darunter zahlreiche Kirchen und eine der prächtigsten Barockstraßen Deutschlands, zu 90 Prozent verwüstet. In diesem Jahr jährt sich der verheerende Bombenangriff zum 80. Mal - und fällt mitten in eine Zeit, in der die Stadt nach dem Attentat auf den Weihnachtsmarkt am 20. Dezember 2024 mit sechs Toten und rund 300 Verletzten wiederum unter Schock steht.
Zwischen 2.000 und 2.500 Menschen kamen in der Bombennacht 1945 zu Tode. Es war längst nicht der erste Luftangriff auf die Stadt, aber der verheerendste. „Er galt den Wohngebieten in der Altstadt und nicht den Industrieanlagen, die sonst in der Regel angegriffen wurden“, sagt Christoph Volkmar, Vorsitzender der Historischen Kommission für Sachsen-Anhalt und Leiter des Magdeburger Stadtarchivs. Das sei Teil der alliierten Kriegsstrategie gewesen. Auch die Stadtkerne von Dresden, Halberstadt oder Würzburg wurden in den folgenden Wochen auf verheerende Weise in Schutt und Asche gelegt.
Taufort Telemanns abgerissen
„Ich würde davor warnen, diesen Magdeburger Angriff als etwas Exorbitantes wahrzunehmen“, betont daher der Historiker. Er sei eine sehr schwere Tragödie für die damaligen Bewohner der Stadt gewesen, zugleich habe es auch andere Städte in ähnlicher Weise getroffen. Für die Alliierten seien diese Flächenbombardements eine legitime Kriegsstrategie gewesen, um den Widerstandswillen der Deutschen zu brechen. Hinzu komme, dass der Zweite Weltkrieg von Deutschland ausgegangen sei - und die Wehrmacht in ähnlicher Weise Städte in Polen, den Niederlanden oder Großbritannien, etwa Rotterdam oder Coventry, zerstört habe.
Trotz der großen Zerstörungen hätte man einen Teil der alten Bausubstanz nach Kriegsende wieder aufbauen können. Laut Volkmar gab es dazu bereits Pläne - die aber die DDR-Führung in Ost-Berlin kurzerhand einstampfte. Magdeburg sollte architektonisch eine sozialistische Musterstadt werden. Acht Kirchen, darunter bedeutende Bauwerke, wurden nicht mehr aufgebaut oder später abgerissen - darunter mittelalterliche Kleinode wie die völlig intakte Heilig-Geist-Kirche, in der einer der großen Söhne der Stadt, der Komponist Georg Philipp Telemann (1681-1767), getauft wurde.
Hinzu kam die politische Instrumentalisierung des Angriffs. Zu DDR-Zeiten verwiesen die SED-Oberen stets auf anglo-amerikanische Bomber, die die gesamte historische Bausubstanz in einer Nacht vernichtet hätten - um auf diese Weise den im Volksmund „dritte Zerstörung Magdeburgs“ genannten sozialistischen Wiederaufbau nach 1945 zu rechtfertigen.
Menschen zieht es in die Kirchen
Nach der Wiedervereinigung nutzten jahrelang rechtsextreme Gruppierungen den Tag, um ihr revisionistisches Geschichtsbild zu propagieren. Dagegen wendet sich seit Jahren erfolgreich das zivilgesellschaftliche Bündnis „Eine Stadt für alle“, das jedes Jahr um den 16. Januar herum eine Aktionswoche veranstaltet. Die erste Veranstaltung wird diesmal ein Gedenken an die Opfer des Weihnachtsmarkt-Attentats auf dem Alten Markt sein. Zuvor wird am Nachmittag Oberbürgermeisterin Simone Borris (parteilos) auf dem Westfriedhof einen Kranz niederlegen.
Auch die Kirchen laden zu einer Andacht im Dom ein, eine halbe Stunde vor dem damaligen Zeitpunkt des Bombenangriffs. Zum runden Jahrestag wird die ökumenische Andacht nicht länger sein als sonst, sagte der evangelische Domprediger Jörg Uhle-Wettler: „Wir werden kurz, knapp und pointiert 28 Minuten machen.“ Der Schwerpunkt der Andacht, die er gemeinsam mit dem katholischen Kathedralpfarrer Daniel Rudloff gestalten wird, werde vor allem der 80. Jahrestag der Auschwitz-Befreiung sein.
Obwohl nur eine Minderheit der Magdeburger einer christlichen Konfession angehört, zieht es viele von ihnen gerade in Zeiten der Trauer dennoch in die Kirchen. „Die ganzen Blumenmeere liegen vor den Portalen der Kirchen“, sagt Uhle-Wettler.
Autor:Oliver Gierens |
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