Beten mit Hashtag
Twittergottesdienst: »Bitte das Handy nicht ausschalten!«
Von Romy Richter
In diesem Gottesdienst heißt es: »Bitte lassen Sie ihr Handy an!« Wer dann auf sein Smartphone blickt, tippt und schnell mal etwas twittert, ist nicht etwa abwesend und unhöflich, sondern Teil des Geschehens in der Magdeburger Wallonerkirche – und das ist ausdrücklich erwünscht. Anlässlich des Kirchentages auf dem Weg unter dem Motto »Sie haben 1 gute Nachricht« gibt sich die Kirche modern und will mit neuen Formaten andere Zielgruppen erreichen.
Erstmals wird dort am Freitagabend ein Twittergottesdienst gefeiert. Unter dem Hashtag #twigo kann sich die Gemeinde über Twitter, aber auch über andere Social-Media-Kanäle, sofort einbringen. Zahlreiche Neugierige sind gekommen, um sich selbst ein Bild zu machen.
Ralf Peter Reimann, Pfarrer und Internetbeauftragter der Evangelischen Kirche im Rheinland, hat bereits Erfahrung mit Twittergottesdiensten: »Es ist ein Mitmach-Gottesdienst, bei dem die Gemeinde aktiv dabeisein kann.« Er gestaltet den Gottesdienst in der Wallonerkirche gemeinsam mit Pfarrer Christoph Breit von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Bereich Social Media und Networkmanagement. Breit sagt: »Das Setting bleibt klassisch: Es gibt zwei Pfarrer und es gibt die Gemeinde.« Nur sei man mit allen Inhalten eben noch bei Twitter vertreten. Dazu ist allerdings auch einige Technik und Hilfe nötig und natürlich Internet.
Eine große Leinwand ist aufgebaut, auf der das Ganze verfolgt werden kann. Zu Beginn twittern die Teilnehmer, woher sie kommen: Schönebeck, Magdeburg, Erfurt, Hamburg, Frankfurt am Main oder »aus der schönen Rhön«. Der Gottesdienst wird auch auf Bibel TV übertragen. Auf der »Social Media Wall« in der Wallonerkirche laufen die Tweets für alle Gottesdienstbesucher sichtbar ein, springen aber auch etwas unruhig von einer Leinwand-Ecke in die nächste. Man braucht schon Konzentration, um gleichzeitig den Gottesdienst zu verfolgen, die Tweets zu lesen und selbst mitzumischen.
»Das, was diese Form des Gottesdienstes stark macht, ist die Beteiligung«, sagt Reimann. So können Fürbitten getwittert werden. »Wir sollten diese Chance nutzen, die die Digitalisierung uns ermöglicht.«
Dabei können sich nicht nur Menschen über Twitter beteiligen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht in die Kirche kommen könnten, so Reimann. Sondern es sei auch ein Angebot für Menschen, denen die Kirche fremd sei und natürlich für die jüngeren Generationen. Hier werde ein »niedrigschwelliger Zugang« geboten. Zudem sei die Kommunikation direkter. Normalerweise störten Rückfragen bei der Predigt, seien nicht vorgesehen. Per Twitter seien diese möglich. »Ein Twittergottesdienst wird den Gemeindegottesdienst nicht ersetzen, aber er kann Kirche für andere Zielgruppen erlebbar machen.«
Es gibt aber auch Menschen wie die ältere Frau, die in die Wallonerkirche kommt und sagt: »Ich weiß eigentlich gar nicht, was Twitter ist.« Für sie und andere Besucher werden Karteikarten verteilt, auf denen sie etwas aufschreiben können. Die jungen Helfer, die am Rande mit ihren Laptops sitzen, basteln daraus Tweets. So werden Glaubensbekenntnisse getwittert, gute Geschichten und eben Fürbitten: »Es ist ein großes Glück, glauben zu dürfen.« – »Ich glaube an die Sonne.« – »Jesus lebt. Er zeigt uns den way.« – »Gott ist immer da.« – »Segne alle, die unterwegs sind zu dir.« Und manchmal geht es auch nur um den Akkustand des eigenen Handys. (epd)
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